Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
Winkel häufte er einige trockene Zweige aufeinander und entzündete ein loderndes Feuer, an dem seine Gefährten sich wärmen konnten, denn sie befanden sich nun fast fünftausend Fuß über dem Meeresspiegel, und die Luft war bitter kalt und schneidend. Nachdem er die Pferde angebunden und Lucy Lebwohl gesagt hatte, warf er sich das Gewehr über die Schulter und machte sich auf die Suche nach Eßbarem, das das Glück ihm zutreiben mochte. Er blickte zurück und sah den alten Mann und das junge Mädchen über dem lodernden Feuer kauern; die drei Tiere standen regungslos im Hintergrund. Dann verbargen die Felsen sie vor seinen Blicken.
    Einige Meilen lang ging er ergebnislos von Schlucht zu Schlucht, wenn er auch aus den Kerben in Baumrinden und anderen Zeichen schloß, daß es zahlreiche Bären in dieser Gegend gab. Nach zwei oder drei Stunden fruchtloser Suche dachte er daran, aufzugeben und umzukehren, als er die Augen hob und etwas sah, das sein Herz mit einem freudigen Schauer füllte. Am Rande eines steilen Felsvorsprungs, drei-oder vierhundert Fuß über ihm, stand ein Geschöpf, das einige Ähnlichkeit mit einem Schaf hatte, aber mit einem Paar riesiger Hörner versehen war. Das
big-horn –
denn so nennt man es – bewachte vermutlich eine dem Jäger unsichtbare Herde; aber glücklicherweise sah es in eine andere Richtung und hatte ihn nicht erblickt. Er ließ sich auf den Bauch nieder, legte das Gewehr auf einen Felsen und zielte lang und ruhig, bevor er den Drücker durchzog. Das Tier sprang in die Luft, torkelte einen Moment lang auf dem Saum des Steilhangs und stürzte dann kopfüber ins Tal hinab.
    Das Tier war zu unhandlich, als daß man es hätte tragen können, daher gab sich der Jäger damit zufrieden, eine Keule und ein Stück von der Lende abzuschneiden. Mit dieser Trophäe auf der Schulter beeilte er sich, seine Spuren wiederzufinden, denn es wurde bereits Abend. Er hatte sich jedoch kaum aufgemacht, als er die Schwierigkeiten begriff, die vor ihm lagen. In seinem Jagdeifer hatte er die Schluchten, die er kannte, weit hinter sich gelassen, und es war gar nicht einfach, den Pfad wiederzufinden, den er gekommen war. Das Tal, in dem er sich befand, teilte sich wieder und wieder in Schlünde, die einander so sehr glichen, daß es unmöglich war, sie zu unterscheiden. Er folgte einer dieser kleinen Schluchten eine Meile oder länger, bis er zu einem Sturzbach kam, den er sicherlich nie zuvor gesehen hatte. Überzeugt, den falschen Weg eingeschlagen zu haben, nahm er einen anderen, jedoch mit dem gleichen Ergebnis. Es wurde schnell Nacht, und es war fast dunkel, als er sich endlich in einem Engpaß wiederfand, der ihm vertraut war. Selbst dann war es immer noch schwierig, auf dem richtigen Pfad zu bleiben, denn der Mond war noch nicht aufgegangen und die hohen Felsen auf beiden Seiten machten die Dunkelheit tiefer. Niedergedrückt von seiner Last und erschöpft von den Anstrengungen stolperte er weiter und suchte sich durch den Gedanken aufzumuntern, daß jeder Schritt ihn näher zu Lucy brachte und daß das, was er trug, ausreichte, um sie alle für den Rest der Reise mit Nahrung zu versorgen.
    Er hatte nun den Eingang der Enge erreicht, in der er sie zurückgelassen. Selbst in der Dunkelheit konnte er die Umrisse der Klippen erkennen, die den Eingang begrenzten. Er dachte bei sich, daß sie ihn voller Sorgen erwarten mußten, denn er war fast fünf Stunden unterwegs gewesen. In seiner freudigen Erleichterung legte er die Hände an den Mund und ließ das Tal mit einem lauten »Halloo« widerhallen, als Zeichen seiner Rückkehr. Er hielt inne und horchte auf eine Antwort. Keine kam, außer seinem eigenen Ruf, der die öden, stillen Schluchten füllte und in unzähligen Wiederholungen in seine Ohren zurückgetragen wurde. Abermals rief er, lauter als zuvor, und wieder kam von den Freunden, die er vor solch kurzer Zeit zurückgelassen hatte, nicht einmal ein Flüstern zurück. Ein vager, namenloser Schreck überfiel ihn, und wie gehetzt stürzte er vorwärts; in seiner Erregung ließ er die kostbare Nahrung fallen.
    Als er um den Felsvorsprung bog, sah er deutlich die Stelle, an der das Feuer angezündet worden war. Dort lag noch immer ein glühender Haufen Holzasche, faber offenbar hatte man sich seit seinem Fortgang nicht mehr darum gekümmert. Allenthalben herrschte Totenstille. Seine Befürchtungen waren zu Gewißheit geworden, als er weitereilte. Kein lebendes Geschöpf fand sich in der Nähe des

Weitere Kostenlose Bücher