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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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spähte Ferrier über die Felder hinaus, die die seinen gewesen waren und die er nun auf immer aufzugeben sich anschickte. Er hatte sich jedoch innerlich seit langem auf das Opfer vorbereitet, und der Gedanke an Ehre und Glück seiner Tochter überwog jedes Bedauern ob seines zugrunde gerichteten Vermögens. Alles wirkte so friedvoll und glücklich, die raschelnden Bäume und der breite stille Streifen des Getreidelandes, daß es schwierig zu begreifen war, wie der Geist des Meuchelmordes in all dem lauerte. Das weiße Gesicht und die grimmige Miene des jungen Jägers zeigten ihm jedoch, daß dieser bei seiner Annäherung an das Haus genug gesehen hatte, um seiner Sache sicher zu sein.
    Ferrier trug den Beutel mit dem Gold und den Noten, Jefferson Hope nahm die kargen Vorräte an Nahrung und Wasser, wogegen Lucy ein kleines Bündel hielt, das einige ihrer teureren Besitztümer barg. Sehr langsam und vorsichtig öffneten sie das Fenster, warteten, bis eine dunkle Wolke die Nacht ein wenig mehr verfinstert hatte, und stiegen dann einer nach dem anderen in den kleinen Garten. Sie hielten den Atem an und stolperten geduckt hindurch, erreichten den Schutz des Zauns und liefen daran entlang, bis sie zu der Öffnung kamen, die auf das Getreidefeld führte. Sie hatten eben erst diese Stelle erreicht, als der junge Mann seine beiden Gefährten packte und zu Boden in den Schatten zog, wo sie schweigend und bebend lagen.
    Es war sehr gut, daß seine Erfahrungen auf der Prairie Jefferson Hope mit den Ohren eines Luchses versehen hatten. Er und seine Freunde waren kaum niedergekauert, als das melancholische Heulen einer Bergeule einige Yards von ihnen entfernt ertönte; sogleich antwortete ihm ein zweites Heulen, nicht weit entfernt. Gleichzeitig tauchte eine undeutliche, schattenhafte Gestalt aus der Öffnung auf, die ihr Ziel gewesen war, und stieß abermals den klagenden Erkennungsruf aus, worauf ein zweiter Mann aus der Dunkelheit erschien.
    »Morgen um Mitternacht«, sagte der erste, der die Befehlsgewalt zu haben schien. »Wenn der
Whip-
dreimal schreit.«
    »In Ordnung«, erwiderte der andere. »Soll ich es Bruder Drebber sagen?«
    »Gib es ihm weiter, und er soll es den anderen sagen. Neun vor sieben!«
    »Sieben vor fünf!« gab der andere zurück, und die beiden Gestalten huschten in verschiedene Richtungen auseinander. Die letzten Worte waren offenbar eine Art Erkennungssignal und -antwort gewesen. In dem Moment, da ihre Schritte in der Entfernung verklungen waren, sprang Jefferson Hope auf, half seinen Gefährten durch die Öffnung und lief als erster so schnell er konnte über das Feld, wobei er Lucy stützte und beinahe trug, wenn ihre Kräfte sie zu verlassen schienen.
    »Schnell, weiter!« keuchte er von Zeit zu Zeit. »Wir sind durch die Postenkette. Alles kommt darauf an, wie schnell wir sind. Schnell weiter!«
    Als sie erst die Straße erreicht hatten, machten sie rasche Fortschritte. Nur einmal begegneten sie jemandem, und da gelang es ihnen, in ein Feld zu schlüpfen und so der Gefahr zu entgehen, erkannt zu werden. Bevor sie die Stadt erreichten, schlug der Jäger einen unebenen und engen Pfad ein, der seitlich weg zu den Bergen führte. Zwei dunkle, zackige Gipfel ragten über ihnen in die Dunkelheit, und zwischen ihnen verlief der Eagle Canyon, in dem die Pferde auf sie warteten. Mit unfehlbarem Instinkt suchte Jefferson Hope seinen Weg zwischen den großen Felsblöcken und durch das Bett eines ausgetrockneten Wasserlaufs, bis er die von Felsen abgeschirmte, entlegene Ecke erreichte, wo die treuen Tiere angebunden waren. Das Mädchen wurde auf das Maultier gesetzt und der alte Ferrier mit seinem Geldbeutel auf eines der Pferde, während Jefferson Hope das andere den steilen und gefährlichen Pfad entlangführte.
    Für jeden, der nicht gewohnt war, der Natur in ihren wildesten Stimmungen zu begegnen, war es ein verwirrender Weg. Auf der einen Seite ragte ein Berg tausend Fuß oder höher auf, schwarz, grimmig und bedrohlich, mit hohen Basaltsäulen auf der unebenen Oberfläche, wie Rippen eines versteinerten Ungeheuers. Auf der anderen Seite machte ein wirres Durcheinander von Felsblöcken und Schotter jedes Vordringen unmöglich. Zwischen beidem verlief der unregelmäßige Weg, bisweilen so schmal, daß sie wie die Indianer hintereinander gehen mußten, und so schwierig, daß nur erfahrene Reiter ihn überhaupt bewältigen konnten. Doch waren trotz aller Gefahren und Schwierigkeiten die Herzen der

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