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Eine Studie in Scharlachrot

Eine Studie in Scharlachrot

Titel: Eine Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Flüchtlinge leicht, denn jeder Schritt vergrößerte die Entfernung zwischen ihnen und dem schrecklichen Despotismus, vor dem sie flohen.
    Sie erhielten jedoch bald einen Beweis dafür, daß sie noch immer in der Reichweite der Heiligen waren. Sie hatten den wildesten und trostlosesten Teil des Passes erreicht, als das Mädchen einen Schreckensschrei ausstieß und nach oben deutete. Auf einem Felsen oberhalb des Pfads stand ein einzelner Posten; er hob sich dunkel und deutlich vom Himmel ab. Er sah sie ebenso schnell wie sie ihn, und sein soldatischer Anruf »Wer da?« hallte durch die stille Schlucht.
    »Reisende nach Nevada«, sagte Jefferson; seine Hand ruhte auf dem Gewehr, das an seinem Sattel hing.
    Sie konnten sehen, wie der einsame Wächter seine Flinte befingerte und auf sie hinabstarrte, als sei er unzufrieden mit ihrer Anwort.
    »Mit wessen Erlaubnis?« fragte er.
    »Erlaubnis der Heiligen Vier«, antwortete Ferrier. Seine Erfahrungen mit den Mormonen hatten ihn gelehrt, daß dies die höchste Autorität war, auf die man sich berufen konnte.
    »Neun vor sieben«, rief der Posten.
    »Sieben vor fünf«, erwiderte Jefferson Hope prompt; er entsann sich der Erkennungsworte, die er im Garten gehört hatte.
    »Passiert, und der HErr sei mit euch«, sagte die Stimme von oberhalb. Jenseits des Postens wurde der Weg breiter, und die Pferde konnten in Trab fallen. Als sie sich umwandten, sahen die Flüchtenden den einsamen Wächter, der sich auf sein Gewehr lehnte, und sie wußten, daß sie den letzten Vorposten des Auserwählten Volks passiert hatten und daß vor ihnen die Freiheit lag.
12. Die Rächenden Engel
    Die ganze Nacht lang führte ihr Weg sie durch verzwickte Engpässe und über unebene Pfade, die von Felsen übersät waren. Mehr als einmal kamen sie vom Weg ab, aber Hopes genaue Kenntnis der Berge machte es ihnen möglich, den Pfad wiederzufinden. Als der Morgen hereinbrach, lag vor ihnen eine Szenerie wundervoller wiewohl wilder Schönheit. Auf allen Seiten waren sie von hohen, schneebedeckten Gipfeln umschlossen, die einander über die Schultern schauten und bis zum fernen Horizont reichten. Die felsigen Abhänge auf beiden Seiten waren so steil, daß es ihnen erschien, als hingen Lärchen und Fichten über ihren Häuptern und bedürften nur eines Windstoßes, um auf sie niederzustürzen. Und diese Furcht war keine reine Illusion, denn das wüste Tal war übersät mit Bäumen und Felsblöcken, die in ähnlicher Weise gefallen waren. Während sie eben dort entlangritten, donnerte ein großer Felsen mit rauhem Krachen zu Tale, weckte die Echos der schweigsamen Schlünde und erschreckte die müden Pferde, so daß sie in Galopp fielen.
    Als sich die Sonne langsam über den östlichen Horizont hob, leuchteten nacheinander die Schneekuppen der großen Berge auf wie Lampen bei einem Fest, bis alle rötlich glühten. Das großartige Schauspiel munterte die Herzen der drei Flüchtigen auf und gab ihnen neue Kraft. Bei einem wilden Sturzbach, der aus einer Schlucht schoß, machten sie Halt und tränkten ihre Pferde, und sie selbst nahmen ein hastiges Frühstück ein. Lucy und ihr Vater hätten gern länger gerastet, aber Jefferson Hope war unerbittlich. »Inzwischen sind sie bestimmt auf unserer Fährte«, sagte er. »Alles hängt davon ab, wie schnell wir sind. Wenn wir erst einmal Carson erreicht haben, können wir uns den Rest unseres Lebens ausruhen.«
    Den ganzen Tag über mühten sie sich in den Schluchten ab, und abends schätzten sie, daß sie mehr als dreißig Meilen von ihren Feinden entfernt waren. Als Nachtlager wählten sie den Fuß einer überhängenden Klippe, wo die Felsen ein wenig Schutz vor dem eisigen Wind boten, und dicht aneinandergedrängt, um der Wärme willen, genossen sie einige Stunden Schlafs. Vor Tagesanbruch waren sie jedoch wach und wieder unterwegs. Sie hatten keine Anzeichen dafür entdeckt, daß man sie verfolgte, und Jefferson Hope begann zu glauben, daß sie außerhalb der Reichweite jener schrecklichen Organisation waren, deren Feindschaft sie sich zugezogen hatten. Er wußte ja nicht, wie weit ihr eherner Griff reichte, noch, wie bald er sich um sie schließen und sie vernichten sollte.
    Etwa um die Mitte des zweiten Tages ihrer Flucht gingen ihre kargen Vorräte zur Neige. Den Jäger beunruhigte dies jedoch kaum, denn es gab Wild in den Bergen, und er hatte sich schon oft zuvor auf sein Gewehr verlassen müssen, wenn es um Lebensmittel ging. In einem windgeschützten

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