Eine stuermische Braut

ins Obergeschoss gefolgt war, denn ihm war klar, dass dies vorerst die letzte Gelegenheit sein würde, ihr zuzuschauen, wie sie ihre Mündel versorgte. Die letzte Gelegenheit - bis zu seiner Rückkehr - jene weichere Seite an ihr zu beobachten, die sie sich nur mit den Kindern zu zeigen gestattete.
    Er wollte diese Erinnerungen seinem Speicher hinzufügen. Wollte, dass sie ein Gegengewicht zu dem Entsetzen bildeten, das ihn beschlichen hatte.
    Um ihn daran zu erinnern, warum seine Mission zu bedeutsam war, warum er mit seiner unerschütterlichen Entschlossenheit, sie bis zum Ende durchzustehen, den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Warum James’ Tod gerächt werden musste, warum das Böse - das echt und gegenwärtig war - bekämpft werden musste.
    Damit die Guten leben konnten.
    Damit Frauen wie Linnet Kinder, die nicht ihnen gehörten, nachts in ihren Betten zudecken konnten.
    Damit solche Kinder sicher aufwachsen konnten, das Entsetzen niemals kennenlernten und niemals in das kalte Antlitz der Boshaftigkeit blicken mussten.
    Vor Gillys Bett richtete Linnet sich wieder auf, ergriff den Kerzenhalter und kam zu ihm. Er trat zurück und ließ sie an sich vorbei in den Flur treten und folgte ihr dann die Treppe hinunter in ihr Zimmer.
    Sie betrat das Zimmer als Erste, stellte den Kerzenhalter auf der hohen Kommode ab und setzte sich an den Frisiertisch.
    Logan schloss die Tür und hielt inne. Beobachtete sie, als sie die Nadeln aus ihrem Chignon zog. Zum ersten Mal sah er, wie sie ihr langes Haar pflegte; als die sich kräuselnden Locken locker ihre Schultern bedeckten, atmete er tief durch und stellte sich hinter sie.
    Die Hände stopfte er in die Taschen, als er zuschaute, wie sie eine Haarbürste durch die seidigen Strähnen zog. Dann fing er ihren Blick im Spiegel auf.
    »Morgen. Ich muss ein Schiff mieten, aber du weißt ja, dass ich hier über keinerlei Mittel verfüge. Ich brauche Kontakt nach London. Das kann allerdings Tage dauern.«
    Sie zog kaum merklich die Lippen nach oben.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich kenne einen Kapitän, der dich auf Rechnung mitnehmen wird.«
    Logan fragte sich, was er davon halten sollte. War dieser namenlose Kapitän etwa ein Rivale? Oder einfach nur eine weitere von Linnets männlichen Bekanntschaften? Er hatte bemerkt, dass ihr Umgang mit Männern - der Pfarrer schoss ihm durch den Kopf - anders war, eher wie der eines Lords und nicht so sehr wie bei einer Lady, was sicherlich an ihrer besonderen Stellung als unumstrittene Königin in ihrem Reich liegen mochte.
    Linnet konzentrierte sich wieder auf ihr Haar, auf die besänftigende, sich wiederholende Bewegung der Bürste durch die langen Locken.
    Unwillkürlich streckte er seine Hand aus, schloss sie um ihre und nahm ihr die Bürste aus den Fingern. Ohne auf ihren fragenden Blick zu achten, nahm er hinter ihr Platz und fing an, ihr Haar zu bürsten.
    Auch das war eine Erinnerung, die er sich wünschte - die Bürste, die sanft nach unten glitt, die schwarzen Borsten, die den feurig glänzenden Vorhang streichelten und ihn noch mehr zum Glänzen brachten.
    Noch ein Bild, an dem er sich festhalten konnte, eines, von dem er wusste, dass er zu ihm zurückkehren würde.
    Linnet beobachtete ihn, beobachtete die Konzentration in seiner Miene, während er sich gleichmäßig durch die schwere Masse arbeitete und jede gebürstete Strähne ablegte, als ob sie in Wahrheit aus dem roten Gold bestand, dem sie so ähnlich sah.
    Sie versuchte, das sanfte rhythmische Zerren zu ignorieren, die unterschwellig besänftigende, beinahe einschläfernde Zärtlichkeit.
    Spürte, wie ihre Lider schwer wurden, trotz allem der Verführung unterlagen.
    Morgen schon würde er sich auf seinen Weg machen. Obwohl sie ihn begleiten würde, lag jetzt die letzte Nacht vor ihnen - in ihrem Schlafzimmer, hier in Mon Cœur.
    Ganz gleich, was er sagte - sie wusste, dass er nicht zurückkehren würde.
    Sie ergriff seine Hand, übernahm die Bürste und legte sie auf die Frisierkommode. Dann erhob sie sich und drehte sich um.
    Und warf sich kühn in seine Arme.
    Er wartete - wartete darauf, die Arme um sie zu schließen, den Kopf zu senken und die Lippen zu erobern, die sie ihm anbot.
    Darauf, sie lange und genüsslich zu küssen, tief und besitzergreifend - genau wie sie es wünschte, wie sie es wollte. Heute Nacht, so war sie entschlossen, würde sie nach einer letzten Lektion verlangen; und sie wusste auch genau, was sie lernen wollte.
    Logan spürte ihre Absicht, das,