Eine Stuermische Nacht
hinreichend begründete, weshalb sie sich zu so später Stunde in der Nacht im besten Gästezimmer des Gasthofes aufhielt. Besonders wenn sie angeblich seelenruhig in ihrem Bett zu Hause schlief.
Schon seit Monaten hatte er den Verdacht, dass sie etwas im Schilde führte, aber bislang war er nicht in der Lage gewesen herauszufinden, was genau es war. Trotz des Spions, den er auf sie angesetzt hatte; darüber hinaus, dass seine Cousine in bestimmten Nächten heimlich das Haus verließ und in der Krone verschwand, hatte er nichts herausgefunden. Unsicher, ob Kelsey einfach unfähig war oder, was wahrscheinlicher war, Informationen absichtlich zurückhielt, hatte er sich kurz entschlossen hierher auf den Weg gemacht, als er gehört hatte, dass sie sich wieder davongeschlichen hatte. Von Wut und Ungeduld getrieben wollte er sie auf frischer Tat ertappen und zur Rede stellen.
Ein Liebhaber schien ihm der wahrscheinlichste Grund hinter ihren geheimen Ausflügen zur Krone , aber Jeffery wollte einfach kein Grund dafür einfallen, warum sie daraus so ein Geheimnis machen sollte. Der Himmel wusste, er würde einen Verehrer mit offenen Armen empfangen – ob nun respektabel oder nicht. Jeder, wirklich jeder, der ihn von dieser Plage von Cousine befreien würde, wäre ihm willkommen.
Einen Mann im Bett zu finden war daher keine große Überraschung gewesen, aber seine Identität verblüffte ihn; Jeffery konnte sich nicht erklären, welche Rolle der Viscount in den Vorgängen des Abends spielte. Wie alle Mitglieder der guten Gesellschaft kannte auch er die Geschichte von Mathew Joslyns unerwartetem Pech letztes Frühjahr, als die Nachricht von der Existenz des amerikanischen Erben bekannt geworden war. Jeffery war wie alle anderen neugierig auf den neuen Viscount gewesen, aber bislang hatten ihre Pfade sich nicht gekreuzt.
Townsend glaubte keinen Augenblick, dass der Viscount der Grund für Emilys nächtliche Ausflüge war: Schließlich hatte sie sich schon lange vor der Ankunft des neuen Viscounts in England im Oktober aus The Birches davongeschlichen. Da er aber niemand war, der sich eine günstige Gelegenheit, sein Ziel zu erreichen, ungenutzt durch die Finger gleiten ließ, überlegte Jeffery, wie er wohl diese unselige Wendung der Ereignisse zu seinem Vorteil nutzen könne.
Er warf Joslyn einen nachdenklichen Blick zu. Zwar war momentan von Emily weder etwas zu sehen noch zu hören, aber er würde beim Grab seiner Mutter schwören, dass sie heute Nacht hier gewesen war. Und falls, aus welchen Gründen auch immer, Emily mit dem Viscount zusammen gewesen war, wäre sie rettungslos kompromittiert. Gütiger Himmel, der Mann befand sich praktisch nackt in dem Bett unmittelbar vor ihm, und es war nicht viel Fantasie nötig, sich Emily neben ihm vorzustellen. Hmm …
Jeffery betrachtete den Viscount erneut. Es war allgemein bekannt, dass die Joslyns insgesamt gut betucht waren, und der neue Viscount war der reichste von allen … Visionen von atemberaubendem Reichtum stiegen vor seinem geistigen Auge auf, und er begann schon einen Plan zu schmieden, wie er seine lästige Cousine am leichtesten loswerden und einen Teil des Joslyn-Goldes in seine Finger bekommen könnte.
Barnaby gefiel der berechnende Schimmer in Townsends Augen gar nicht.
»Sie sind uneingeladen in mein Zimmer eingedrungen. Wie Sie sich mit eigenen Augen haben überzeugen können, gibt es hier keine ›Emily‹. Ich schlage vor, Sie gehen jetzt.«
Normalerweise hätte Jeffery sich größte Mühe gegeben, sich bei dem neuen Viscount lieb Kind zu machen, aber der Gedanke, einen Teil von dem Joslyn-Gold zu erhalten, machte ihn kühn.
»Ich entschuldige mich für die Umstände unserer Begegnung«, erklärte Jeffery, »aber ich darf mich dadurch nicht davon abhalten lassen, den Aufenthaltsort meiner Cousine zu entdecken.« Sein Blick fiel auf den großen Schrank, und sein Herz hüpfte vor Freude. Es war ein breiter Schrank, groß genug, einen ausgewachsenen Mann zu beherbergen, ganz zu schweigen von einem Leichtgewicht wie Emily.
In der Überzeugung, genau zu wissen, wo seine Cousine sich versteckte, ging er rasch mit ausholenden Schritten zu dem Möbelstück und überraschte damit alle. Er riss die beiden Türhälften auf. Das Innere war bis auf die Decken leer – was Jeffery mit Verlegenheit und Missfallen zur Kenntnis nahm.
Rot geworden schlug er die Türen wieder zu und trat zurück. Er erwiderte den spöttischen Blick des Viscounts und erklärte
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