Eine Tiefe Am Himmel
festgestellt, dass die Familie von Scherkaner Unterberg die Unzeit-Perversion praktiziert. Bis zur Klärung dieser Situation sind die Sendungen der ›Kinderstunde der Wissenschaft‹ eingestellt.« Broute hatte die Ankündigung mit einer Stimme gelesen, die der von Rappaport Grabber gar nicht ähnelte. Die neue Stimme war kalt und distanziert und voller Abscheu.
Diesmal drang die Fremdartigkeit der Arachna durch all das glatte Wunschdenken. Die Spinnentradition erlaubte neue Kinder also nur zu Beginn einer Neuen Sonne. Die Generationen waren strikt getrennt, jede schritt als gleichaltrige Gruppe durchs Leben: Die Menschen konnten nur raten, warum dem so sein sollte, doch anscheinend war die ›Kinderstunde‹ die Tarnung für eine schwer wiegende Verletzung des Tabus gewesen. Sie fiel für eine geplante Sendung aus. In Bennys Biersalon sah es traurig und leer aus; Rita begann davon zu reden, die dummen Bilder wegzunehmen. Und Ezr begann schon zu hoffen, dies sei vielleicht das Ende des Zirkus.
Doch das war zuviel gehofft. Vor vier Tagen hatte sich die düstere Stimmung plötzlich gelichtet, wenngleich das Geheimnis blieb. Sendungen von Radiostationen überall im ›Goknischen Einklang‹ kündigten an, dass eine Sprecherin der Kirche des Dunkels auf Scherkaner Unterberg treffen würde, um über die ›Anständigkeit‹ seiner Rundfunksendung zu debattieren. Trud Silipan hatte versprochen, dass die Blitzköpfe bereit sein würden, imstande, diese neue Form der Sendung zu übersetzen.
Jetzt zählte Bennys Uhr die verbleibenden Sekunden bis zu dieser Sonderausgabe der ›Kinderstunde‹.
An seinem üblichen Platz an der anderen Seite des Salons schien Trud Silipan die Spannung zu ignorieren. Er und Pham Trinli unterhielten sich in gedämpftem Ton. Die beiden waren ständige Trinkkumpane und planten große Sachen, aus denen nie etwas zu werden schien. Komisch, ich hatte Trinli immer für einen großmäuligen Clown gehalten. Phams Behauptungen über wunderbare Orten hatten sich nicht als leeres Gerede erwiesen; Ezr hatte die Staubkörnchen bemerkt. Nau und Brughel hatten begonnen, die Geräte zu nutzen. Irgendwie hatte Pham Trinli ein Geheimnis über die Orter gekannt, das in den innersten Abschnitten der Flottenbibliothek gefehlt hatte. Ezr Vinh war vielleicht der Einzige, dem das bewusst war, doch Pham Trinli war nicht gänzlich ein Clown. Immer mehr ahnte Ezr, dass der alte Mann überhaupt kein Narr war. Überall in der Flottenbibliothek waren Geheimnisse versteckt, das konnte bei etwas derart Altem und Großem gar nicht anders sein. Doch dass ein derart wichtiges Geheimnis diesem Manne bekannt war… Pham Trinli musste eine lange Vorgeschichte haben.
»He, Trud!«, rief Rita und zeigte auf die Uhr. »Wo sind deine Blitzköpfe?« Die Bildtapete des Salons zeigte noch immer die Wälder irgendeines Naturschutzgebiets auf der Balacrea.
Trud Silipan erhob sich von seinem Tisch und schwebte herunter vor die Menge. »Alles in Ordnung, Leute. Ich hab’s eben gehört.
Radio Weißenberg hat den Vorspann für die ›Kinderstunde‹ gestartet. Direktor Reynolt wird die Blitzköpfe gleich auf die Szene bringen. Sie stimmen sich noch in den Wortfluss ein.«
Liaos Irritation schmolz weg. »Prima! Gut gemacht, Trud.«
Silipan verbeugte sich und kassierte Ehre für etwas, wozu er nicht das Geringste beigetragen hatte. »In ein paar Minuten müssten wir also erfahren, was für seltsame Dinge dieser Unterberg mit seinen Kindern gemacht hat…« Er reckte den Kopf und lauschte auf seinen privaten Dateneingang. »Und da sind sie!«
Die nasse, blaugrüne Waldlandschaft verschwand. Die Bar-Seite des Raums schien sich plötzlich in eins der Versammlungszimmer unten in Hammerfest zu öffnen. Anne Reynolt glitt von rechts ins Bild, ihre Gestalt war von der Perspektive verzerrt; dieser Teil der Tapete kam mit 3D einfach nicht zurecht. Hinter Reynolt erschienen ein paar Techniker und fünf Blitzköpfe… fokussierte Menschen. Eine davon war Trixia.
Und das war der Punkt, wo Ezr zu schreien anfangen wollte – oder an einen dunklen Ort weglaufen und so tun, als existiere die Welt nicht. Normalerweise verbargen die Aufsteiger ihre Blitzköpfe tief im Innern ihres Systems, als empfänden sie einen Rest von Scham. Normalerweise bekamen die Aufsteiger lieber Ergebnisse von Computerbildschirmen und Datenbrillen, nur Graphiken und hygienisch gefilterte Daten. Benny hatte ihm erzählt, dass Qiwis Raritätenschau ursprünglich nur aus den
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