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Eine Tiefe Am Himmel

Eine Tiefe Am Himmel

Titel: Eine Tiefe Am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
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von Weißenberg der Erste Schnee fiel, selbst mitten im Winter. Wie würde es sein, durch Schnee zu gehen? Wie würde es sein, in eine Schneewehe zu fallen? Einen Augenblick lang erwogen die beiden die Fragen und vergaßen die anderen Ereignisse des Tages – die Rundfunkdebatte, die seit zehn Tagen aller Aufmerksamkeit beanspruchte, sogar die der Generalin.
    Zuerst hatten alle Kupplinge und besonders Jirlib Angst vor dieser Debatte gehabt. »Das ist das Ende der Sendereihe«, sagte ihr älterer Bruder. »Jetzt weiß die Öffentlichkeit von uns.« Die Generalin war eigens vom Landeskommando heraufgekommen, um ihnen zu sagen, sie brauchten sich keine Sorgen zu machen, Papa würde sich um alle Einwände kümmern. Doch sie sagte nicht, dass sie ihre Radiosendung behalten würden. General Viktoria Schmid war es gewohnt, Truppen und Stabsoffizieren knappe Befehle zu erteilen. Kinder zu beruhigen, war nicht ihre starke Seite. Insgeheim dachten Gokna und Viktoria, dass diese Aufregung um das Programm Mama nervöser machte als alle Kriegsabenteuer, die in ihrer Vergangenheit lauerten.
    Papa war der Einzige, der sich von der düsteren Stimmung nicht anstecken ließ. »Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet«, sagte er zu Mama, als sie vom Landeskommando heraufkam. »Es ist höchste Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Diese Debatte wird eine Menge Dinge bloßlegen.« Das waren dieselben Ideen wie die, von denen Mama gesprochen hatte, doch aus seinem Mund klangen sie freudig. Die letzten zehn Tage über hatte er noch mehr als sonst mit ihnen gespielt. »Ihr seid meine Fachexperten für diese Debatte, also kann ich meine ganze Zeit mit euch verbringen und trotzdem getreulich meine Arbeit tun.« Er war missmutig hin und her gerutscht und hatte so getan, als mache er eine unsichtbare Arbeit. Den Babies hatte es gefallen, und sogar Jirlib und Brent schienen den Optimismus ihres Vaters zu akzeptieren. Die Generalin war am Abend zuvor nach Süden abgereist; wie üblich, hatte sie noch ganz andere Sorgen als Familienprobleme.
     
    Der Gipfel des Rundfunkhügels lag über der Baumgrenze. Niedriger Stechginster bedeckte den Boden neben dem Parkkreis. Die Kinder stiegen aus und bestaunten die Kühle, die noch in der Luft lag. Klein Viktoria fühlte ein seltsames Brennen in all ihren Atemwegen, als ob… als ob sich dort Reif bildete. War das möglich?
    »Kommt, Kinder! Gokna, glotz nicht!« Papa und seine älteren Söhne geleiteten sie die breiten alten Stufen zum Sender hinauf. Der Stein war feuerbehandelt und unpoliert, als wollten die Besitzer die Leute glauben machen, sie verträten eine uralte Tradition.
    Die Wände innen waren mit Photo-Eindrücken behängt, Porträts der Besitzer und der Erfinder des Radios (in diesem Falle ein und derselben Leute). Außer Rhapsa und Hrunk waren alle schon hier gewesen. Jirlib und Brent machten das Radioprogramm seit Jahren, nachdem sie es von den Rechtzeit-Geborenen übernommen hatten, als Papa die Rechte an dem Programm gekauft hatte. Beide Jungen klangen älter, als sie wirklich waren, und Jirlib war so klug wie die meisten Erwachsenen. Anscheinend hatte niemand ihr wahres Alter geahnt. Papa war deswegen ein wenig irritiert gewesen. »Ich möchte, dass die Leute die Wahrheit selber erraten – aber sie sind zu dumm, um sich die Wahrheit vorzustellen!« Also waren schließlich Gokna und Viktoria junior ins Programm genommen worden. Das war spaßig gewesen – so zu tun, als seien sie Jahre älter, auf die albernen Skripte einzugehen, die sie in dem Programm verwendeten. Und Herr Grabber war nett gewesen, obwohl er kein richtiger Wissenschaftler war.
    Trotzdem hatten Gokna und Junior noch beide sehr kindlich klingende Stimmen. Schließlich hatte jemand seinen Glauben an die Grundanständigkeit aller Radiosendungen überwunden und erkannt, dass da dem Publikum schwer wiegende Perversionen untergejubelt wurden. Aber Radio Weißenberg war im Privatbesitz, und wichtiger noch: Der Sender besaß seinen eigenen Wellenbereich und hatte Überstrahlrechte auf den Nachbarfrequenzen. Die Eigentümer waren Kupps aus der 58. Generation, die noch auf ihr Geld sahen. Solange die Kirche des Dunkels keinen wirksamen Zuhörerboykott zu Stande brachte, würde Radio Weißenberg ›Die Kinderstunde der Wissenschaft‹ beibehalten. Daher die Debatte.
    »Ah, Dr. Unterberg, wie schön, Sie zu sehen!« Madame Subtrime kam aus ihrem Käfterchen geschwebt. Die Direktorin des Senders schien aus lauter Beinen und spitzen

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