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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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keine Soldaten. Kaby wich zur Seite aus, ließ hilfsbereit die Hand vorschnellen, und die arme alte Maud endete dort, wohin sie Kaby hatte schicken wollen. Es machte mich krank zu sehen, wie die Schwerkraft nach ihr griff und sie abwärts zerrte.
    Ich hätte nun aufspringen und zum vierten Opfer für Kaby werden können, aber wenn es um Dinge wie mein Leben geht, bin ich ganz und gar nicht mutig.
    Lili machte Anstalten, sich aufzurichten, sie schien ein wenig durcheinander zu sein. Sanft drückte Kaby sie zurück und sagte leise: »Wo ist er?«, dann holte sie aus und versetzte ihr einen klatschenden Schlag ins Gesicht. Mich berührte besonders die nüchterne Art und Weise, wie Kaby das tat. Ich kann verstehen, wenn jemand wütend wird und jemanden eine verpaßt oder sich sogar absichtlich in eine aufbrausende Stimmung bringt, um etwas Fieses zu tun, aber bei dieser kaltblütigen Art dreht sich mir der Magen um.
    Lili sah aus, als würde gleich ihr halbes Gesicht zu bluten beginnen, aber den verträumten Ausdruck hatte sie nicht mehr, und sie preßte die Lippen zusammen. Kaby griff nach Lilis Perlenhalsband und drehte es ihr am Hals zusammen und zerriß es dabei, und die Perlen tanzten wie Tischtennisbälle herum. Also zerrte Kaby das graue Seidenband herab, das Lili im Haar hatte, und legte ihr das um den Hals. Lili begann durch ihre zusammengepreßten Lippen zu keuchen. Erich, Mar kus und Illy waren nähergetreten und drängten sich heran, aber sie schienen zufrieden zu sein mit der Arbeit, die Kaby leistete. »Hör mal, du Flittchen«, sagte sie, »wir haben keine Zeit. Es gibt eine Krankenabteilung hier. Ich kenne mich mit den Geräten aus.«
    »Da hätten wir’s also«, dachte ich und wünschte, ich könnte ohnmächtig werden. Zu allem anderen, zu der Todesgefahr, in der wir schwebten, mußten sie auch noch meinen ganz persönlichen Alptraum heraufbeschwören, das Entsetzen, das meinen Namen trug. Ich durfte nicht einfach in Frieden zersprengt werden. Nein, mit einer A-Bombe gaben sie sich nicht zufrie den. Sie mußten auch noch meine persönliche Hölle ins Drehbuch schreiben.
    »Da hätten wir einen Apparat, der Inverter genannt wird«, sagte Kaby, wie ich’s nicht anders erwartet hat te, aber wie ich’s auch nicht wirklich hörte – eine geistige Spaltung, die ich gleich erklären will. »Der öffnet dich, so daß man dein Inneres heilen kann, ohne deine Haut zu zerschneiden oder dich irgendwo bluten zu lassen. Er kehrt die großen Teile deines Körpers von innen nach außen, nicht aber die Blutgefäße. Deine gesamte Haut – dazu Augen, Ohren, Nase, Zehen, das alles – wird zum Futter eines kleinen Loches, das zur Hälfte mit deinem Haar gefüllt ist.
    Inzwischen liegt dein Inneres bloß und bietet sich dem heilenden Zugriff dar. Du lebst eine Zeitlang von der Luft, die sich in dem Loch befindet. Zuerst gibt dir der Arzt Luft, die dich einschlafen läßt, oder du würdest nach etwa fünfzig Herzschlägen wahnsinnig. Wir werden sehen, was zehn Herzschläge bei dir anrichten, ohne die Schlafluft. Also, machst du jetzt den Mund auf?«
    Ich hatte ihr allerdings nicht zugehört, nicht mein bewußtes Ich, oder ich wäre auch ohne die Behandlung sofort durchgedreht. Ich habe Doc einmal sagen hören, die eigene Leber wäre einem Menschen fremder und ferner als die Sterne, weil man zwar sein ganzes Leben mit ihr verbringt, man sie aber nie sieht oder es lernt, instinktiv darauf zu deuten, und der Gedanke, daß jemand mit diesem intimen, doch unbekannten Teil des Körpers herumpfuscht, ist einfach zuviel.
    Ich wußte, daß ich schnell etwas unternehmen muß te. Hölle, beim ersten Hinweis auf die Inversion, noch ehe Kaby überhaupt davon gesprochen hatte, war Illy schon zusammengezuckt und hatte seinen Tentakel zu dicken, federbestandenen Würsten zusammengezogen. Erich hatte ihn fragend angeschaut, aber der verdamm te Lunie hatte sich bei mir noch unbeliebter gemacht, in dem er quietschte: »Kümmert euch nicht um mich. Ich bin nur empfindlich. Macht mit dem Mädchen wei ter. Sie muß reden.«
    Ja, ich wußte, ich mußte etwas tun, und hier auf dem Boden bedeutete das angestrengtes und fruchtbares Nachdenken über ein ganz anders Thema. Die verrück te Plastik, die Erich hatte zerschmettern wollen, lag einen Fuß vor meiner Nase, und ich sah eine schwache weiße Spur, wo sie über den Boden geglitten war. Ich streckte den Arm aus und berührte die Spur; es handelte sich um feinen Gries, fast wie pulverisiertes

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