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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Angriff damals wurde von der Passhöhe da oben herab vorgetragen, nicht wahr?«
    »Angriff? Es war ein feiger Raubüberfall.«
    Er warf mir einen flüchtigen, desinteressierten Blick zu und reckte den runzligen Hals über dem goldbestickten und mit Raumschiffsymbolen geschmückten Stehkragen seiner Uniformjacke, beschirmte die Augen und blickte zum Avalanche-Pass hinauf, dem tiefen Sattel zwischen dem Mont Matin und dem Mont Arsin.
    »Sie arbeiteten sich also mit ihrer Windbarke gegen die Thermik vor. Eine respektable Leistung.«
    »Nun, so kann man es auch sehen, Sir. Ich sehe es anders. Das Kloster konnte sie nicht riechen, weil sie sich im ersten Tageslicht gegen den Wind anschlichen. Es war völlig ahnungslos und traf keine Vorsichtsmaßnahmen. Sie machten an der Zisterne über dem Kloster fest und kippten ein Anästhetikum in das Wasser, mit dem es jeden Morgen getränkt wird. Danach hatten sie leichtes Spiel. Sie fanden die Pforte unverschlossen. Das Kloster war zu benommen, um sie zu schließen.«
    »Militärisch ein genialer Coup.« Er nickte anerkennend. »Man sieht, es waren Männer von der Flotte.«
    »Sie töteten fünf Mönche, die das Geschmeide der Göttinnen verteidigten.«
    Er machte eine Bewegung, als schnippte er mein Argument samt den Toten vom Ärmel seiner Uniformjacke.
    »Ich habe die Vernehmungsprotokolle gelesen«, erwiderte er knapp und presste die schmalen Lippen noch mehr zusammen. »Die Täter wurden öffentlich hingerichtet. Es wurde ein Exempel statuiert. Wir können es uns nicht leisten, Cartesius zu verlieren. Es ist die einzige Menschenwelt in fünfzig Lichtjahren Umkreis hier am inneren Rand des Orionarms vor der großen Leere, die uns vom Sagittariusarm trennt.«
    »Das weiß ich, Sir. Ich bin zwar kein Astronom, sondern Linguist und Historiker. Aber diese Fakten werden uns bereits in der Schule beigebracht.«
    Er nickte. »Außerdem wird hier Protein gewonnen, das die Flotte für die Verproviantierung braucht. Wir können auf Cartesius nicht verzichten.«
    »Außerdem wohnen hier inzwischen fast zwei Millionen Menschen«, gab ich zu bedenken.
    »Wir wären außerstande, sie zu evakuieren. Wir müssten sie ihrem Schicksal überlassen.« Seine Worte trieben in der kalten Luft davon wie flüchtige Gespinste.
    »Deshalb haben Sie ja auch alles darangesetzt, um das Geschmeide wieder beizubringen.«
    Er musterte mich prüfend und verzog den Mund. »Allerdings«, sagte er dann. »Das verdammte Ding hat die Flotte ein Vermögen gekostet. Wir hätten ein Schiff damit ausrüsten können. Eine unverzeihliche Dummheit, diesen wertvollen Kultgegenstand zu rauben.«
    »Kultgegenstand, Sir? Es ist mehr als das. Es sind die Leiber von dreiundachtzig Göttinnen. In dem Geschmeide ist eine mehr als hunderttausend Jahre alte Tradition verkörpert.«
    »Ich bin darüber informiert«, erwiderte er knapp. »Aber ich werde mich hüten, in Glaubensfragen eine Meinung zu äußern. Aus religiösen Angelegenheiten hält sich die Flotte grundsätzlich heraus. Das ist unsere Tradition. Nicht ganz so alt, aber – immerhin!«
    Er nahm unauffällig ein paar Atemzüge aus seinem Sauerstoffpack. Wir waren in fast zwölfhundert Metern Höhe. Der Luftdruck betrug nur ein knappes Drittel dessen in Höhe des Binnenmeers.
    Wir waren vor Sonnenaufgang von Arcachon aufgebrochen. Die Stadt war noch in dichten Nebel gehüllt. Draußen auf dem Binnenmeer war das Tuten und Blöken von Sirenen der Schiffe zu hören, die sich ihren Weg in den Hafen suchten.
    Der Maître des Pédaliers hatte die Barke senkrecht aufsteigen lassen. Als sie sich aus dem Nebel erhob, war der Himmel bereits hell, und hoch über uns ragten im ersten Tageslicht die schlanken Spitzen des Mont Matin und des Mont Arsin, die beiden höchsten Erhebungen des Westlichen Kummet, wie zwei entblößte Fänge in den Himmel. Der Avalanche-Gletscher zwischen ihnen, vom rosigen Schimmer des Morgens überhaucht, sah aus wie eine Zunge. Die Gipfel der Vorberge erhoben sich in der Dämmerung aus dem Nebel wie grüne Inseln aus einem Meer aus geronnener Milch.
    Ein Konvoi von sechs schwer beladenen Salzzillen kam den Steilabfall herab, ging in den Landeanflug und tauchte ein.
    Das Segel war nass vom Tau, und Tropfen sprangen von den Drahtseilen, als der Maître es am Mast hochzog. Wir segelten die Felswand entlang, während der Maître Ausschau hielt nach der ersten Thermik, die uns den zehntausend Meter hohen Steilabfall zum Kloster hochtragen würde.
    Mittag war

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