Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)
…«
»Ist es nicht gefährlich? Haben Sie nicht Angst, den Verlauf der Geschichte zu verändern?«
Der Mann aus der Zukunft nickte. »Man muss sehr aufpassen. Es ist auch nicht ganz … legal, dass ich hier bin.«
»Wie war das mit dem Sekt? Woher stammt der?«
»Ich habe zuerst die Zeit nach der Jahrtausendwende besucht. 1999 wird ein sehr guter Weinjahrgang. Ich habe die Flaschen verwechselt.«
»Und warum haben Sie ausgerechnet mich besucht?«
»Es war wirklich so, wie ich sagte. Allerdings habe ich auch die Bücher gelesen, die Sie noch schreiben werden, und sie haben mir gut gefallen. Ich wollte Sie kennenlernen; Ihnen Mut machen, sie zu schreiben.«
Brück schwindelte bei diesen Worten, aber zu seiner Verwunderung gab es einen Teil in ihm, der den verzwickten Verwicklungen mühelos zu folgen vermochte.
»Gut«, sagte er, »machen Sie mir Mut. Was passiert in den nächsten Jahren?«
Das Gesicht seines Gegenübers verschloss sich. »Das darf ich Ihnen nicht sagen. Es ist zu gefährlich.«
Brück fühlte plötzlich seinen eigenen Atem, spürte dieUnebenheiten des sperrmüllreifen Sessels, auf dem er saß, und hörte das feine, ameisenhafte Ticken der Regentropfen, die gegen die hohen, schlierigen Fensterscheiben nieselten. In weiter Ferne schlug eine Turmuhr, drei viertel zwölf. Dies war die Wirklichkeit, er träumte nicht. Der Mann, der aus einer tausend Jahre entfernten Zukunft gekommen war, saß ihm gegenüber, und nur die fast greifbare Stille trennte sie.
»Sie wollten mir Mut machen«, sagte Brück schließlich. »Dazu müssen Sie mir eine Frage beantworten – wie überlebt die Menschheit?«
»Sie überlebt.«
»Wie?«, beharrte Brück. »Sie brauchen mir keine Einzelheiten zu erzählen, wenn das so gefährlich ist – aber Sie müssen mir eine Idee geben. Mir fällt dazu nichts ein. Was könnte die Situation der Menschheit noch entscheidend verändern? Was könnte das sein?«
Der Zeitreisende verfiel in brütendes Nachdenken. Dann beugte er sich langsam vor und stellte sein Sektglas auf dem Tisch ab. »Der Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation«, sagte er schwerfällig.
Eine heiße Woge brandete durch Brücks Körper bei diesen Worten. »Was?«, entfuhr ihm.
»Eines Abends«, erklärte der seltsame Gast, und er schien zu leiden, während er sprach, »eines Abends werden Sie die Tagesschau einschalten, und es wird nur eine einzige Schlagzeile geben: die Entdeckung einer nichtmenschlichen, außerirdischen, intelligenten Lebensform. Diese Entdeckung wird nicht einfach eine Sensation sein, sondern der größte Schock, den die Menschheit je erlebt hat; ein Erdbeben in der Seele der Menschen, das Mächte zerfallen und Religionen verschwinden lassen wird. Wirkliche Fremde, verstehen Sie? Das wird die Welt verändern wie nichts zuvor. Es wird eine andere Menschheit sein, die das nächste Jahrtausend sieht.«
Brück hielt es plötzlich nicht mehr aus in seinem Sessel, stellte sein Glas ab und stand auf, um ans Fenster zu treten. Die Sterne funkelten milde und fern am dunklen Himmel, zwischen den wattigen, regenschweren Wolken, die im Mondlicht schwarzviolett glänzten. Er spürte ein Gefühl in seiner Brust, als breche eine Stahlklammer, die sein Herz bis jetzt umkrallt hatte.
»Es gibt also Leben da draußen«, sagte er halblaut.
»Das Universum wimmelt von Leben«, bekräftigte die Stimme in seinem Rücken.
»Es geht also weiter?«
»Wir hatten Besuch aus einer Zeit, die über fünfzehntausend Jahre in der Zukunft liegt. Und sie erzählten uns von einem Kontakt mit … nun, menschlichen Wesen aus einer Jahrmillionen entfernten Zeit. Die Zukunft der Menschheit scheint unauslotbar zu sein, immer weiter und weiter zu gehen …«
Brück sah die ersten, verfrühten Feuerwerksraketen aufsteigen. Er schob den muffigen Vorhang weiter zur Seite, als gelte es, dem neuen Jahr Einlass zu verschaffen.
»Und wissen Sie was?«, fuhr der Gast aus einer anderen Epoche fort – es klang, als wundere es ihn selbst –, »zu allen Zeiten suchen die Menschen das Paradies, aber was immer sie auch anstellen, das Leben wird immer dieses seltsame Chaos bleiben, das man nie ganz zu fassen kriegt. Immer wird es Freude geben und Leid, immer Geburt und Tod; zu allen Zeiten wird man Niederlagen und Heimtücke und Hass kennen – aber auch Siege, Ehrlichkeit und Liebe …«
Mitternacht. Die Kirchenglocken begannen zu läuten, grüne und rote Leuchtkugeln glitten majestätisch durch die Luft, und in den
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