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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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öfters an jemanden empfohlen habe, wenn ich’s recht überlege, und der sich nie auch nur bei mir bedankt hat, von anderem ganz zu schweigen. Da war mein Medizinmann schon ein anderes Kaliber. Jedenfalls, ich drückte ihm einen von den Prospekten in die Hand und erzählte ihm von Schwermetallen und Naturheilkunde, natürlich ohne zu erwähnen, was sonst noch so lief. Er schaute zuerst skeptisch, doch ein paar Tage später kam er extra vorbei, um mir zu sagen, wie sagenhaft ihm der Arzt geholfen habe. Ganz billig schien es nicht gewesen zu sein, und die Krankenkassen zahlen diese Art Therapie wohl nicht, aber wenn man vor Schmerzen nicht schlafen kann, drückt man gern ein paar Hunderter ab für eine Behandlung, die hilft. »Wie Zauberei«, meinte er. Er konnte nicht mal genau sagen, was der Arzt eigentlich gemacht hatte, bloß dass die Schmerzen am nächsten Tag restlos weg gewesen waren.
    Das gefiel mir. Bis dahin hatte ich insgeheim ein bisschen das Gefühl gehabt, etwas zu machen, das nicht hasenrein ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Weil diese Heimlichtuerei dabei war. Aber nachdem der Werbegrafiker so begeistert war, verflogen alle meine Bedenken, zumal er nicht der Einzige blieb. Dass der neue Arzt im Ort in Sachen Schmerzen eine Kapazität ersten Ranges war, sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Ich sah zu, dass ich meine Prospekte unters Volk brachte, weil, die Geschichte mit den Gutscheinen sollte ja auch noch einmal Scheinchen in die Kasse spülen. Im Lauf der Zeit sah man erst, wie viele Leute sich mit undefinierbaren Schmerzen plagen, unglaublich. Es kam mir vor, als sei plötzlich eine Seuche ausgebrochen.
    Was mir, im Nachhinein betrachtet, etwas zu denken hätte geben können, war, dass manche, bei denen die Therapie gut angeschlagen hatte, erzählten, dass die Wirkung bald nachließ, sodass aus der ganzen Angelegenheit eine Art Dauertherapie wurde. Es traf keine Armen, vielleicht kümmerte es mich deshalb nicht weiter. Ich war jedenfalls voll motiviert. Meine Angestellten wunderten sich zwar, dass der Chef plötzlich selber fegt, also eigentlich Lehrlingsarbeit macht, aber natürlich beschwerten sie sich nicht. Ich tat, als hätte ich auf einmal den Sauberkeitsfimmel, und dehnte das auch auf den Damensalon aus. Meine Frau hatte mich eine Weile im Verdacht, dass ich das nur täte, um das eine oder andere Auge in außereheliche Gefilde zu werfen, aber das konnte ich ihr zum Glück wieder ausreden. Und es brachte eine Verdoppelung meines Einzugsgebietes. Mein Medizinmann war begeistert.
    So lief das dahin, alle waren zufrieden, und meine größte Sorge war, wie ich meiner Frau beibringen konnte, dass ich mich auf meine alten Tage noch einmal in ein Motorrad verguckt hatte, eine sündhaft schöne Harley zu einem genauso sündhaften Preis. Schon seltsam, wie das geht mit dem Geld. Egal wie viel man davon hat, es findet sich immer etwas, für das es gerade nicht mehr reicht, oder?
    Anfang des Jahres stellte ich eine neue Friseuse ein, Therésa, die aus Haiti stammt und bis dahin bei dem Friseur neben dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt gearbeitet hatte, der aus Altersgründen zum Jahresende zumachte. Sie kannte sich mit diesen ganzen Kraushaarfrisuren aus, was nicht ganz unwichtig war bei den neuen Kunden, die den Weg bis in meinen Laden fanden, denn meine anderen Mädels hätten sich da schwergetan. Ich mich auch, anbei bemerkt. Aber dank Therésa war das kein Problem, ich konnte mich aufs Auffegen beschränken und dem Dottore den Tipp geben, seinen Prospekt auch auf Englisch zu drucken.
    Therésa kennen Sie ja mittlerweile auch. Ist ein fröhliches Naturell, wenn man bedenkt, was sie alles mitgemacht hat im Leben – Flucht als junges Mädchen, Vater ermordet; wenn sie von ihrer Kindheit auf Haiti erzählt, sträuben sich einem zuverlässig die Nackenhaare. Wahrscheinlich tut sie’s deshalb so selten. Aber sie hat sich gut durchgebracht, und entsprechend pfiffig ist sie.
    Kein Wunder, dass sie bemerkt hat, was ich trieb.
    Ich nahm sie beiseite, weil es unnötig war, dass die anderen was davon mitbekamen – nichts für ungut, sind alles ordentliche Mädels, aber da hätte ich es auch gleich in die Zeitung setzen können –, und erklärte ihr die Sache mit den Haaranalysen und dem Doktor und den Naturheilverfahren.
    Sie kriegte Augen so groß wie Suppentassen, als ich erwähnte, dass der Doktor unter anderem auch auf Haiti gewesen ist. Wobei ich das eigentlich nur erzählte, weil ich sie

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