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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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machte unser Sohn seinen Abschluss, war also endlich richtiger Rechtsanwalt, und es ging drum, ob er eine eigene Kanzlei eröffnen sollte oder erst mal woanders einsteigen.
    »Ich kann dir einen Werbegrafiker empfehlen«, meinte ich, weil ich es kaum erwarten konnte, einen Rechtsanwalt in der Familie zu wissen. Womöglich würde ich ihn demnächst brauchen. »Für Prospekte und Anzeigen und solchen Kram, meine ich.«
    Sie hätten sehen sollen, wie er mich angeschaut hat. Wie man einen Deppen anschaut, ehrlich. Mitleidig. Ich hasse so was. »Ach Vater«, sagte er. »Rechtsanwälte dürfen doch keine Werbung machen. Ein Schild an der Tür, ein Eintrag in den Gelben Seiten, das ist es schon.«
    »Keine Werbung?« Ich konnte es nicht fassen. Ich meine, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ein Geschäft auf diese Weise in Gang kommen soll, oder?
    »Unerlaubte Werbung ist ein Grund, die Zulassung sofort und unwiderruflich zu verlieren«, erklärte er mir. »Das ist nicht nur bei Rechtsanwälten so, auch bei Ärzten zum Beispiel. Wusstest du das nicht?«
    So, nun schauen wir mal. Warten Sie, ich hole den Spiegel, damit Sie sich von hinten sehen … Gut so? Danke. Wenn Sie das Haar so herüber kämmen, übrigens, und ein bisschen Haarspray drauftun, dann fallen die lichten Stellen praktisch nicht mehr auf. Nur als Tipp, meine ich.
    Übrigens ist die Praxis für Schmerztherapie kurz danach von Amts wegen geschlossen worden. Nicht, weil jemand irgendwelchen Voodoo-Praktiken auf die Schliche gekommen ist, nein. Das hätten Sie in der Zeitung gelesen, glaube ich. Nein, der Grund war völlig banal: unerlaubte Werbung. Irgendjemand hat anscheinend ein paar Prospekte an die zuständigen Stellen geschickt, und die haben kurzen Prozess gemacht. Es ist nie herausgekommen, wer es war. Aber Tatsache ist nun mal, Ärzte dürfen keine Werbung für ihre Praxis machen, die über ein Schild an der Tür hinausgeht, und selbst wie das aussehen darf, ist genau vorgeschrieben. Da sind die gnadenlos.
    Ach, eins noch. Ich hoffe, Sie finden das nicht aufdringlich, aber der Laden ist gerade so schön leer, wir sind unter uns, da dachte ich, ich spreche es mal an. Wissen Sie, es gibt nämlich nicht nur schwarze Ouangas. Rote Ouangas zum Beispiel nimmt man für Liebeszauber. Alles, was man braucht, sind ein paar Haare der betreffenden Person und die richtigen Zaubersprüche, und schon passieren die unglaublichsten Sachen.
    Ich meine, Sie interessieren sich doch für die hübsche Tochter unseres Bürgermeisters, das sieht ein Blinder mit Krückstock. Und da wollte ich nur erwähnen, dass sie regelmäßig zum Haareschneiden herkommt. Und dass Therésa die ganzen Zaubersprüche kennt, habe ich ja erzählt. Es ist eine ungewöhnliche Dienstleistung, klar, und wir bieten sie auch nur unseren besten Kunden an. Aber die Zeiten sind hart, die Steuern und Abgaben hoch – da muss man flexibel sein.
    © 2002 Andreas Eschbach

Survival-Training
    Über die Entstehungsgeschichte der folgenden Story habe ich im Zusammenhang mit dem »Goethepfennig« bereits einiges erzählt. Hier nur noch ein paar Anmerkungen zum Grundgedanken der Erzählung.
    Immer wieder – meistens zu Jahreswechseln und bei runden Jahreszahlen wird es quasi unvermeidbar – belästigen uns sogenannte »Experten« mit ihren Voraussagen darüber, wie wir in einigen Jahren oder Jahrzehnten angeblich leben werden, und in der Regel bestehen diese »Voraussagen« in einfachen Fortschreibungen momentaner Trends oder Moden. Ein Mythos, der seit Aufkommen der Personal Computer umhergeistert, ist der vom »total vernetzten Haus«, von »intelligenten Kühlschränken« und dergleichen.
    Soweit man weiß, lebt bis jetzt nur eine Familie in so einem Ding – Bill und Melinda Gates und ihre Kinder –, und ich wette, dass von den für die allseitige Umsorgung installierten Gerätschaften inzwischen die meisten wieder ausgestöpselt sind.
    Weil sie einfach nerven …
     
    »Survival-Training?« Maren hatte das Kissen hinter sich hochgeschoben und sah aus, als läge sie schon Stunden wach. »Das klingt beunruhigend, muss ich sagen.«
    Tim schlug schlaftrunken die Decke zurück. »Ich hab’s dir doch erklärt. Das ist so eine Art Motivationstraining. Soll das Team zusammenschweißen und so Zeug.«
    »Und wenn dir etwas passiert?«
    »Da sind Trainer dabei. Fachleute. Die machen das nicht zum ersten Mal. Solche Trainings boomen zurzeit, das hat Henrik aus sicherer Quelle. Kein Grund zur Sorge.« Damit gab er

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