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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Luft. Innerhalb einer Sekunde wurde er totenblass. Er machte sich über den Splitter in der Tischplatte her, zog und zerrte daran, als ob sein Leben davon abhinge.
    »Oh Gott, ist es ernst?«, fragte er. »Ist er schwer verletzt?«
    Und dann mit einem Blick zum Hundezwinger:
    »Werde ich die Hunde verlieren?«
    »Sie werden die Hunde verlieren«, sagte Sejer. »Und der Junge ist tot.«
    Bjørn Schillinger verstummte. Der Ernst der Lage traf ihn wie ein Schlag.
    »Nein«, stöhnte er. »Das kann nicht sein. Nicht meine Hunde. Nein, Sie müssen mit Huuse reden, der hat vier Huskys. Nicht meine Hunde«, wiederholte er.
    Sejer und Skarre musterten ihn schweigend. Es berührte sie, wie der grobe Mann die Fassung verlor.
    »Huuse ist mit seinen Hunden nach Finnmark gefahren«, sagte Sejer ruhig. »Wir haben mit den Nachbarn unten am Svarttjern gesprochen. Er ist seit vier Wochen verreist.«
    »Nein«, sagte Schillinger wieder. »Nicht meine Hunde. Kein kleiner Junge, das glaube ich einfach nicht.«
    Er brach am Tisch zusammen. Sein Gesicht war grau vor Angst.
    »Ihre Hunde sind nass«, sagte Skarre. »Haben Sie sie mit dem Schlauch abgespritzt?«
    »Die waren so warm«, sagte Schillinger. »Ich wollte sie nur abkühlen. Mit dem dicken Fell, wird ihnen doch sofort heiß. Ich vergesse nie, abzuschließen, wenn ich gefüttert habe«, schrie er.
    Er schlug die Hände vors Gesicht. Er konnte die Worte der beiden Männer nicht an sich heranlassen. Ein kleiner Junge. Und seine sieben Rabauken hinter den Gittern, nein, das wollte er einfach nicht glauben.
    »Ich schließe immer hinter mir ab«, wiederholte er. »Mir kann man keine Vorwürfe machen.«
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Gehen wir ins Haus«, sagte Sejer.
    Sie gingen in Schillingers Wohnzimmer. Eine kleine stumme Gruppe ernster Männer. Das Haus war dunkel und spärlich möbliert. Der Holzfußboden war von Hundekrallen zerkratzt. In der einen Ecke stand ein alter Ofen, daneben ein Sessel, der mit einer Schicht aus grauen Hundehaaren bedeckt war.
    »Von welchem Jungen reden wir hier?«, fragte Schillinger, ohne die anderen anzusehen.
    Er stand vornübergebeugt da und wartete auf das Urteil.
    »Von dem Kleinen von Wilma und Hannes Bosch«, sagte Sejer.
    »Den Holländern? Die in dem Holzhaus wohnen?«
    Sejer nickte. Schillinger verlor seine trotzige Miene. Er zitterte am ganzen Körper, und Sejer musste einfach Mitleid mit ihm haben. Er schaute sich in dem dunklen Zimmer um. An den Wänden hingen die Fotos dicht an dicht, auf allen waren Hunde zu sehen. Die Namen der Hunde standen unter den Bildern und Sejer sah, dass es eine Mädchenwand und eine Jungenwand gab. Er fand eine Eva Braun und eine Grete Waitz, einen Volter, einen Bajaz und einen Bogart.
    »Ich habe seit dreißig Jahren Hunde«, sagte Schillinger. »Ich weiß alles über Hunde. Fragen Sie die Leute, ob es jemals Ärger mit meinen Hunden gegeben hat, fragen Sie die Leute: ich war immer ein verantwortungsvoller und rücksichtsvoller Hundehalter. Und immer, wenn ich die Hunde füttere oder wenn ich ihre Pfoten behandele und die Krallen schneide, knalle ich die Tür hinter mir zu. Dann schiebe ich den Riegel vor, und dabei kreischt das Eisen. Dann drücke ich den Haken nach unten, und man hört ein Klicken. Das ist die Prozedur. Und ich vergesse das nie. Dieses Manöver ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich mache es ganz automatisch. Und ich lebe für die Hunde. Sie sind mein Kapital. Sie können nicht beweisen, dass meine Hunde Hannes’ Jungen umgebracht haben. Vielleicht irren sie sich. Hier draußen haben viele Hunde. Und die hauen auch manchmal ab.«
    »Wir werden die Hunde beschlagnahmen«, sagte Sejer. »Und von allen DNA -Proben nehmen. Dann sehen wir, wo Ihre Hunde gewesen sind. Und was sie getan haben.«
    Schillinger schloss die Augen. Der Albtraum erschütterte ihn bis ins Mark.
    »Dann werden wir den Tatort untersuchen«, sagte Sejer. »Damit wir feststellen können, wie Ihre Hunde entkommen konnten. Vielleicht kommen Sie während dieser Untersuchungen in Untersuchungshaft. Darauf kommen wir noch zurück.«
    Schillinger schlug die Hand vor den Mund. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Das kam ihm alles so unwirklich vor. Der Kleine von Hannes und Wilma. Von Hunden zerrissen. Von seinen Hunden. Attila und Marathon, Yazzi und Goodwill. Bonnie, Lazy und Ajax. Den Hunden, die abends zu seinen Füßen lagen, wenn er sich nach Nähe sehnte. Die ihn mit unwahrscheinlichen

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