Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen
geblieben ist«, sagte Gloria nach einiger Zeit.
»Der Glaube an ein Wunder –«
»Davon kann man nicht leben. Wir haben die Trümmer, das ist schon etwas. Kommen Sie, Hellmut.« Sie stemmte sich hoch, lehnte Schwester Rudolpha an den Baumstamm und bemerkte erst jetzt, daß ihr Kleid zerfetzt war. Sie fühlte, wie die Röte in ihr Gesicht stieg.
»In jedem Flugzeug sind Werkzeug und Verbandskästen«, sagte sie laut. »Statt herumzuliegen und mich anzustarren, hätten Sie sie längst suchen können.«
»Ich habe bis jetzt nur Sie gesucht, Gloria. Als ich Sie nicht fand, war ich verzweifelt.« Hellmut Peters richtete sich mühsam auf, sein linker Arm schien gewaltig zu schmerzen. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als er den Arm in die Schlinge schob, die er aus seinem Hosenbein geknüpft hatte.
»Gebrochen?« fragte Gloria.
»Ich glaube nicht. Wahrscheinlich im Schultergelenk ausgerenkt.« Er stützte sich auf den knorrigen Knüppel und humpelte Gloria zum Flugzeugrumpf hinterher. »Wir haben zwei Sanitätskästen«, sagte er dabei. »Aber alle voll mit alten Klamotten: hartgewordene Salben, verschimmelte Tabletten, verrostete Scheren und Pinzetten, dreckige Binden. Die übliche Schlamperei! Und wir haben ein Beil, eine Säge, eine Zange, vier Schraubenzieher, einen Satz Schraubenschlüssel, einen Drillbohrer mit verrosteten Bohrern, einen Hammer mit halbem Stiel und eine Anleitung auf portugiesisch: Im Notfall rufen Sie Porto Velho 648 oder über Funk Welle 167.«
»Das ist das Krankenhaus. Mein Vater.« Sie blieb stehen und sah Peters zornig an. »Warum sagen Sie nicht gleich, daß Sie alles schon untersucht haben?!«
»Ich war so weg vor Freude, daß Sie leben, Gloria.« Er lächelte, und dieses jungenhafte, glückliche Lächeln versöhnte sie sofort. »Sie sind wirklich nicht verletzt?«
»Nur ein paar Schrammen und blaue Flecke.« Sie hatte den Rumpf erreicht, blickte hinein und prallte zurück.
»Kommen Sie her!« rief Peters. »Verdammt, ich hätte Sie warnen müssen! Ja, das ist Pater Juan. Wie ein Mensch sieht er nicht mehr aus, und trotzdem lebt er noch. Ich habe ihm in den noch erkennbaren linken Oberarm zwei Spritzen gegeben. Morphium hydrochlorid 0,01 stand auf den Ampullen.«
Gloria lehnte sich gegen die Trümmer. Übelkeit würgte sie. Der plötzliche Anblick dieses verbrannten Menschen traf sie wie eine Faust in den Magen.
Pater Juan, sie sah ihn noch schräg gegenüber vor sich sitzen, fröhlich, die dicke, schwarze Zigarre zwischen den Zähnen. 30 Jahre Missionar im Urwald, und nicht die Wilden hatten ihn so lebensgefährlich verletzt, sondern ein brennender Motor der Zivilisation.
»Können Sie das denn?« fragte sie. O Himmel, ist mir elend, dachte sie dabei. »Eine Injektion geben?«
»Es war das erstemal.« Peters hatte Gloria erreicht und schob sich vor den Eingang des Rumpfes. »Ich dachte nur: Irgendwo hinein mit der Nadel und runtergedrückt. Nur weg mit diesen Schmerzen. Er … er war bei voller Besinnung, aber er schrie nicht … er betete …« Er faßte Gloria an der Schulter und nickte ihr zu. »Kommen Sie weg von hier.«
»Warum? Ich habe im Krankenhaus meines Vaters genug Schreckliches gesehen. So schnell falle ich nicht um.«
Sie stiegen in den zerplatzten Rumpf, holten die Sanitätskästen heraus, und Gloria inspizierte den Inhalt. Er war wirklich trostlos. Man hatte sich jahrelang nicht um sie gekümmert. Aber sie enthielten Kompressen und Binden, eine zwar verrostete, aber doch noch schneidfähige Schere und – o Wunder – steril verpackte Spritzen mit Antibiotika und Schmerzmitteln.
»Das Ganze entrosten wir nachher«, sagte Gloria. »Verbinden wir jetzt erst Schwester Rudolpha.«
Sie arbeitete schnell und sicher. Peters half ihr, wie ein Laie eben helfen kann, und sagte hinterher, als Schwester Rudolpha versorgt war: »Sie sind ein wundervolles Mädchen, Gloria. Allerdings habe ich mir gewünscht, Sie auf andere Weise kennenzulernen.«
Er klappte den Sanitätskasten zu, stieß dabei an seinen Arm und verzog wieder sein Gesicht. Der Schmerz war höllisch – er zog von der Schulter durch den ganzen Körper und bohrte sich dann ins Gehirn. Gloria beobachtete ihn und beugte sich vor. Sie stand hinter ihm, und als sie ihn von oben ansah, fielen ihre langen blonden Haare vor ihr Gesicht.
»Jetzt Ihren Arm, Hellmut«, sagte sie bestimmt.
»Was wollen Sie daran machen?«
»Ihn wieder einrenken.«
Peters rutschte etwas zur Seite. »Halt, mein Engel! Der
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