Eine Vampirin auf Abwegen: Argeneau Vampir 1
Zugegeben, er selbst hätte es weniger beunruhigend gefunden, wenn sie Blut aus Beuteln benutzt hätte wie die anderen, statt herumzulaufen und Leute zu beißen wie eine weibliche Version von Dracula, aber er hatte nicht erwartet, dass es sie selbst störte.
„Blutbanken sind die Haupternährungsquelle für die Meinen, und das seit über fünfzig Jahren. Alle sind dazu übergewechselt, nur ich wurde weiterhin intravenös ernährt”, erklärte sie. „Nachdem man sich fünfzig Jahre nicht mehr direkt von Sterblichen ernährt hat, kann man sich fast einbilden, dass sie und der Blutbeutel am Tropf nichts miteinander zu tun haben. Sterbliche werden einfach Nachbarn und Freunde und.... ”
„Ich verstehe”, unterbrach Greg, und das tat er wirklich. Er nahm an, es war ähnlich wie das Phänomen, das Menschen, die ihr Fleisch in ordentlichen kleinen Packungen im Supermarkt kauften, beinahe vergessen ließ, dass beispielsweise ein Kalbsbraten von den niedlichen kleinen Kälbchen mit den staksigen Beinen und großen Augen stammte.
Gregs Gedanken wandten sich wieder dem Gespräch zu, das er in seiner ersten Nacht hier mit Thomas geführt hatte. Er hatte ihn angefleht, Lissianna zu helfen, weil aufgrund ihrer Phobie jeder befürchtete, dass sie wie ihr Vater enden könnte. Er setzte die Bruchstücke des Gehörten langsam zusammen. Lissianna hatte sich angestrengt, weniger abhängig von ihrer Mutter zu werden, sie hatte einen Studienabschluss erworben, sich eine Stelle beschafft und war in ihre eigene Wohnung gezogen. Sie
„Sie arbeiten im Obdachlosenheim, nicht wahr?”
„Ja”, sagte sie vorsichtig.
„Und Sie ernähren sich dort.” Das war keine Frage, denn nur so ergab es einen Sinn.
„Ich dachte, ich könnte den Leuten helfen und mich gleichzeitig um meine eigenen Bedürfnisse kümmern”, erklärte sie.
Greg nickte. Verständlich. Es vermochte sicher ihre Schuldgefühle zu lindern, die sie hatte, weil sie wieder direkt von Menschen trank, nachdem das so lange nicht der Fall gewesen war.
„Ich nahm an, die Leute im Obdachlosenheim würden täglich wechseln.”
„Tun sie das denn nicht?”, fragte Greg überrascht. Er wusste nicht viel über Obdachlosenheime.
„Leider nicht. Es sind oft dieselben Leute, manchmal monatelang, obwohl es auch ein paar gibt, die nur kurze Zeit da sind.”
„Aber viele Obdachlose sind Alkoholiker oder nehmen Drogen”, sagte er und verstand mit einem Mal, was die Familie beunruhigte. Wenn sie sich regelmäßig von den vielen abhängigen Obdachlosen des Heims nährte....
„Einige, ja”, sagte sie leise. „Nicht alle. Einige sind aus Alkoholoder Drogengründen obdachlos geworden, haben ihre Stellen, ihre Familien, ihr Heim verloren.... Andere wurden durch andere Umstände obdachlos, und manchmal trinken sie oder nehmen Drogen, um ihre Situation eine Weile zu vergessen. Aber sie sind nicht alle süchtig.”
Greg lächelte über ihren defensiven Ton. Sie mochte die Leute im Obdachlosenheim offenbar, und das nicht nur als Nahrungsmittel. Er fand das irgendwie beruhigend.
„Aber viele von ihnen sind auch, nicht ganz gesund”, fuhr sie fort. „Sie haben wenig oder gar kein Geld und ernähren sich nicht richtig. Einige haben nur eine einzige Mahlzeit am Tag, das Frühstück im Obdachlosenheim.”
„Und deshalb macht sich Ihre Familie Sorgen und will, dass Ich Ihre Phobie heile”, spekulierte Greg. „Selbst wenn Sie nicht von Leuten Ihre Nahrung bezögen, die Alkohol oder Drogen in Ihrem Organismus haben, dann doch immerhin oft von Leuten, die sich nicht gesund ernähren, also ernähren auch Sie sich nicht gesund.”
„Das stimmt.” Sie verzog das Gesicht. „Ich lebe von etwas ähnlichem wie einer Fast-Food-Diät; sie ist sättigend, aber enthält nur wenige Nährstoffe. Aber ich glaube, dass Mutter nichts so sehr beunruhigt wie der Alkohol.”
Greg nickte, aber er konnte seinen Blick nicht von ihrem Mund wenden. Er hatte nie sonderlich auf ihre Zähne geachtet, seine Aufmerksamkeit hatte sich bis jetzt auf ihre Lippen gerichtet und darauf, was er gerne mit ihnen tun würde. Dennoch, dachte er, er hätte doch irgendwann ihre Eckzähne bemerken müssen.
„Darf ich einmal Ihre Zähne sehen?”
Lissianna sah ihn aufmerksam an und fragte dann zögernd: „Warum?”
„Na ja.... ” Greg rutschte ein wenig unbehaglich hin und her und fuhr dann fort: „Ich glaube natürlich, dass es stimmt, was Sie mir über die Ihren erzählen. Ich habe ja schließlich die Male an
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