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Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Titel: Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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seinem Griff und ging zu ihrem Schrank, um sich anzuziehen. Unterwäsche, Jeans und ein schwarzer Pullover mit weitem Ausschnitt, der ihr über die Schulter rutschte. Das musste reichen. Zum Schluss schlüpfte sie in ein Paar alte, ehemals weiße Turnschuhe und ging zur Tür.
    »Anne«, wiederholte Vince und verstellte ihr den Weg, er war immer noch nackt, und in seinen Brusthaaren glitzerten Wassertropfen.
    Sie sah über seine linke Schulter hinweg an ihm vorbei und wartete ungeduldig, dass er sagte, was er zu sagen hatte, und dann den Weg freigab.
    »Liebling«, fuhr er in weicherem Tonfall fort. »Du hast im vergangenen Jahr so viel durchgemacht. Du hast immer noch damit zu kämpfen. Ich will nicht, dass du in etwas hineingezogen wirst, was dir noch mehr Stress verursacht – und mir.«
    Sie verstand, dass er lediglich versuchte, sie zu schützen, und das war nett und ritterlich von ihm. Doch mittlerweile ging es auch um ihren Stolz und ihre Ehre. Sie würde nicht zulassen, dass Tony Mendez oder Cal Dixon oder sonst jemand glaubte, sie brauche für irgendetwas die Erlaubnis ihres Ehemannes. Sie lebten im Jahr 1986, nicht 1956.
    »Ich gehe trotzdem«, sagte sie.
    Die Hände in die Hüften gestemmt, seufzte Vince genervt. An seinem Kiefer zuckten Muskeln, als versuche er, gewaltsam etwas zurückzuhalten.
    »Warte, bis ich mir was angezogen habe«, sagte er schließlich. »Ich fahre.«
    Das Mercy General war ein hervorragend geführtes kleines Krankenhaus. Das verdankte es der Großzügigkeit der Einwohner dieses wohlhabenden Städtchens. Es mangelte nicht an Zuwendungen zur Finanzierung von neuen Abteilungen, neuen Geräten, Renovierungsarbeiten. Das Mercy General war bestens ausgestattet und konnte, angefangen bei den Ärzten und Krankenschwestern bis hin zu den Verwaltungsangestellten, auf ein erstklassiges Personal stolz sein.
    Haley Fordham lag auf der Intensivstation, wo Vince und alle anderen, die mit dem Fall des Sekundenklebermörders zu tun gehabt hatten, viel Zeit verbracht hatten, als Karly Vickers hier lag. Die in einem hellen Honigton gestrichenen Wände und die gedämpfte Beleuchtung gaben einem das Gefühl, sich in einem warmen Kokon zu befinden. Eine Seite der Zimmer war verglast, so dass das Personal die Patienten immer im Blick haben konnte.
    Marissa Fordhams Tochter hörten sie, bevor sie sie sahen. Als Vince und Anne aus dem Aufzug traten, wurden sie von dem angsterfüllten Weinen eines Kindes empfangen.
    Anne stand augenblicklich unter Spannung. Vince spürte, wie sich ihr Rücken unter seiner Hand versteifte, als sie sich dem Raum näherten.
    Mendez kam ihnen mit finsterer Miene entgegen.
    »Was ist los?«, fragte Vince.
    »In dem Moment, als sie aufgewacht ist, fing sie an zu schreien und hat seither nicht mehr aufgehört. Der Arzt meint, es könnte ein Hinweis auf eine Hirnschädigung infolge des Sauerstoffmangels sein.«
    »Oder sie ist einfach völlig verängstigt«, sagte Anne aufgebracht. »Stell dir vor, du bist vier Jahre alt und wachst hier auf, an alle möglichen Geräte angeschlossen, von lauter Fremden umgeben. Das arme, kleine Ding!«
    »Ja«, sagte Mendez. »Vielleicht ist es das. Danke, dass du gekommen bist, Anne.«
    »Das ist selbstverständlich«, sagte sie und warf Vince einen Blick zu. »Ich bin froh, wenn ich helfen kann. Darf ich zu ihr rein?«
    »Ich mache dich mit dem Arzt und Mrs Bordain bekannt«, sagte Mendez und nahm sie sanft am Ellbogen.
    »Mrs Bordain, Marissa Fordhams Gönnerin?«, fragte Vince und drängte sich zwischen Mendez und seine Frau.
    »Ja«, sagte Mendez und ließ Anne los, nicht ohne die Augen zu verdrehen. »Bill und ich haben sie informiert. Sie bestand darauf, mit uns hierherzufahren und Haley zu besuchen. Sie ist ihre Patin oder so was in der Art. Mrs Bordain kommt einer Angehörigen bislang am nächsten.«
    »Sie hat nicht gerade eine beruhigende Wirkung«, sagte Vince trocken, als sie vor der Glasscheibe standen. Milo Bordain, Anfang, Mitte fünfzig, groß, blond, elegant gekleidet, stand ein Stück vom Bett entfernt und presste erschrocken eine Hand auf die Brust, als müsste sie ihr Herz darin festhalten.
    Mendez zuckte mit den Schultern. »Die Frau weiß nicht, was sie tun soll. Wie schon gesagt: Der Arzt meint, das Schreien könnte ein Hinweis auf eine Hirnschädigung sein. Die Kleine wurde bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Wer weiß, wie lange ihr Gehirn ohne Sauerstoff war.«
    »Hast du das Jugendamt informiert?«
    »Ja«, sagte Mendez

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