Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
hergestellt hatte, war Mendez nicht einmal mehr in die Nähe des Kindes gekommen.
Er hätte es eigentlich voraussehen können. Vor einem Jahr, als einige ihrer Schüler die Leiche von Lisa Warwick gefunden hatten, hatte Anne die Kinder beschützt wie eine Löwenmutter ihre Jungen. Sie ließ nicht zu, dass irgendjemand – weder er noch Vince noch die Eltern der Kinder – Druck auf sie ausübten. Bei Haley Fordham würde es nicht anders sein. An erster Stelle kam für sie das Kind, nicht die Ermittlungen.
Dennoch hatte er es für einen geschickten Schachzug gehalten – auf diese Weise blieb Marissa Fordhams Tochter in der Obhut der Polizei-Familie, in einer sichereren Umgebung unter den wachsamen Augen von Fachleuten. Wenn das Jugendamt sie zu einer Pflegefamilie gab, würden sie vermutlich nicht mehr an sie herankommen.
Die Frau vom Jugendamt, die zu guter Letzt im Krankenhaus erschienen war, hatte wegen der Missachtung sämtlicher Vorschriften natürlich vor Wut geschäumt und für den nächsten Tag ein Treffen mit allen Beteiligten und einem Familienrichter verlangt, bei dem über die Unterbringung von Haley Fordham entschieden werden sollte. Dixon würde höchstpersönlich daran teilnehmen, um die Interessen seiner Dienststelle zu vertreten. Was bedeutete, dass er ebenfalls sauer auf ihn war.
Aber all das wäre vergeben und vergessen, wenn Anne das kleine Mädchen dazu brachte, ihnen zu sagen, was sie wissen wollten. In der Zwischenzeit konnte Mendez nichts weiter tun, als darauf hoffen, dass sie auf anderem Weg einen Schritt weiterkamen, einen Anhaltspunkt fanden, irgendetwas, das sie in die richtige Richtung führen würde.
Statt sich zu Hause ein paar Stunden aufs Ohr zu legen, fuhr er durch die leeren Straßen von Oak Knoll, dachte nach, ließ die Ereignisse des Tages Revue passieren, stellte im Kopf eine Liste der Leute auf, mit denen er am folgenden Tag sprechen wollte.
Sie mussten die näheren Umstände des Todes von Zander Zahns Mutter in Erfahrung bringen und welche Rolle er tatsächlich dabei gespielt hatte. War seine Bemerkung so zu verstehen, dass er seine Mutter tatsächlich umgebracht hatte, oder hatte er es im übertragenen Sinn gemeint? Vielleicht war sie bei seiner Geburt gestorben. Oder vielleicht hatte sie Selbstmord begangen, als er noch ein Kind gewesen war. Kinder gaben oft sich die Schuld, wenn ein Elternteil Selbstmord beging oder wenn sich die Eltern scheiden ließen.
Aber ganz gleich, was letztlich dahintersteckte, war es seltsam, was Zahn ihnen da enthüllt hatte. Warum erzählte er ausgerechnet Ermittlern in einem Mordfall, dass er schon einmal getötet hatte?
Arthur Buckman war genauso überrascht gewesen wie Mendez und Vince. In Zahns Personalakte fand sich nicht der geringste Hinweis darauf, dass Zahn jemals im Gefängnis gewesen war. Falls er zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war, dann befanden sich die Akten vermutlich unter Verschluss. In diesem Fall brauchten sie eine richterliche Anordnung, um sie einzusehen.
Zahn schien Marissa Fordham für eine Art vollkommenes, himmlisches Geschöpf zu halten. Don Quinn zufolge hatte sich Marissa Fordham jedoch mit verschiedenen Männern getroffen. Vielleicht war Zahn eifersüchtig geworden, vielleicht hatte er zusehen müssen, wie sich diese vollkommene Frau vor seinen Augen in etwas anderes verwandelte.
Enttäuschung und Wut konnten Menschen dazu bringen, furchtbare Dinge zu tun.
Er fuhr die Straße entlang, in der die Morgans wohnten, blieb stehen und schaltete die Scheinwerfer aus. Die Gartenbeleuchtung brannte und tauchte alles in einen warmen bernsteinfarbenen Schimmer. Die Fenster waren dunkel. Steve Morgans schwarzer Trans Am stand in der Einfahrt.
Die Morgans wohnten in einem hübschen gelb gestrichenen Haus mit weißen Einfassungen und blauen Fensterläden. Das Haus einer amerikanischen Bilderbuchfamilie.
Er mochte Steve Morgan nicht. Hatte ihn noch nie gemocht. Der Typ reagierte immer ein bisschen zu gelassen, wenn man ihn mit Anschuldigungen konfrontierte. Genauso hatte er sich während der Ermittlungen im Mordfall Lisa Warwick verhalten.
Morgan hatte Lisa Warwick gekannt. Er hatte in mehreren Prozessen vor dem Familiengericht eng mit ihr zusammengearbeitet. Mendez wäre jede Wette eingegangen, dass Morgan mit ihr geschlafen hatte, aber sie hatten ihn nie dazu gebracht, das zuzugeben. Als sie ihn mit ihrem Verdacht konfrontierten, war Morgan kalt wie ein Fisch geblieben. Er geriet nie aus der Fassung, wurde
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