Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
dem sie empfangen hatte, aber er sagte es nicht. Er wusste, dass sie sich deswegen Sorgen machte. Sie machte sich Sorgen, dass die posttraumatische Belastung ihren Körper in einem Selbstschutzmodus verharren ließ und verhinderte, dass sie schwanger wurde. Eine Sorge führte zur anderen – ein Teufelskreis.
Vince hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie irgendwann Kinder haben würden. Wenn er die Augen schloss, konnte er Anne mit einem dicken Bauch sehen. Er konnte sie lächelnd auf ein Kind blicken sehen, das an ihrer Brust lag.
Er strich ihr die Haare zurück und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Sie erwiderte seinen Kuss. Erneut begann sich das Verlangen zu regen.
Bis sein Pager zu piepsen anfing.
Vince stöhnte auf. Anne gab einen kleinen enttäuschten Laut von sich.
Er blickte auf die Anzeige des Pagers.
Mendez’ Telefonnummer und dazu die des Notrufs.
Er angelte das Telefon vom Nachttisch und wählte.
Mendez nahm beim ersten Klingelton ab und sagte: »Haley Fordham ist wieder bei Bewusstsein.«
»Ich komme«, sagte Vince.
»Bring Anne mit.«
20
»Ich habe alles gehört«, sagte Anne, als Vince aufstand und lediglich erklärte, er müsse ins Krankenhaus, weil die Zeugin aufgewacht sei.
Vince runzelte die Stirn und ging ins Bad. Anne schlug die Decke zurück und folgte ihm.
»Meinst du, wenn du mich ignorierst, lege ich mich brav hin und schlafe?«, fragte sie.
»Ich will nicht, dass du mitkommst«, sagte er und drehte das Wasser auf.
»Tony glaubt, dass ich euch helfen kann …«
»Es ist mir egal, was Tony glaubt.«
Annes Ärger wuchs, als er das Gespräch praktisch für beendet erklärte, indem er in die Dusche stieg und die Tür schloss. Sie zog sie wieder auf und stieg hinterher.
»Wage es nicht, mich so zu behandeln, Vince Leone«, fuhr sie ihn an und blinzelte, als ihr das von ihrem Mann abprallende Wasser ins Gesicht spritzte.
»Anne«, knurrte er, »ich lasse das nicht zu.«
»Und seit wann sagst du mir, was ich zu tun habe?«, fragte sie.
»Seit ich dein Mann bin«, erklärte er und seifte sich Brust und Arme ein.
»Von wegen!« Sie hielt ihm ihre linke Hand mit dem Diamantring, den er ihr erst vor wenigen Monaten an den Finger gesteckt hatte, vor die Nase. »Das da ist ein Ring, kein Halsband mit Leine. Ich komme mit.«
»Ich nehme dich aber nicht mit.«
»Dann fahre ich eben mit meinem Auto.«
»Nicht, wenn ich deine Autoschlüssel vor dir in die Finger kriege.«
»Ich habe einen Ersatzschlüssel versteckt.«
»Ich nicht. Ich nehme meine Schlüssel und dein Auto.«
Anne kniff wütend die Augen zusammen. »Warum benimmst du dich wie ein Vollidiot?«
»Ich will dich doch nur schützen, Himmel noch mal«, sagte er. »Sei doch nicht so verdammt eigensinnig.«
»Wovor denn schützen? Vor einem vierjährigen kleinen Mädchen, das vermutlich zu Tode verängstigt ist?«
»Sie war Zeugin eines Mordes.«
»Und ist selbst Opfer«, sagte Anne, während sie sich hastig mit einem Waschlappen einseifte. »Haley ist traumatisiert. Sie hat ihre Mutter verloren. Habt ihr schon Angehörige ausfindig gemacht?«
»Nein«, sagte er und drehte ihr den Rücken zu, um sich von vorne abzuduschen.
»Sie hat niemanden.«
»Jemand vom Jugendamt wird sich um sie kümmern.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte sie und drängte sich an ihm vorbei, um sich ihrerseits abzuduschen. »Findest du, dass das Jugendamt die Zeugin eines Mordes in eine Pflegefamilie geben sollte?«
»Ich finde jedenfalls nicht, dass du dich um sie kümmern solltest.«
»Ich will doch nur sehen, ob ich der Kleinen irgendwie helfen kann.«
»Ach so«, sagte er unbeeindruckt. »So wie du auch nur sehen wolltest, ob du Dennis Farman nicht irgendwie helfen kannst, und jetzt bist du seine Scheißverfahrenspflegerin.«
»Sprich nicht so von mir«, sagte Anne und reckte sich, als könnte sie ihn damit einschüchtern.
Er beugte sich über sie, von seiner Nase und seinem Schnurrbart tropfte Wasser. »Wenn du keine Ruhe gibst, sperr ich dich in den Schrank.«
Anne, jetzt wirklich wütend, stieg aus der Dusche, schnappte sich ein Handtuch und trocknete sich flüchtig ab. So weit kam es noch, dass sie sich von ihm vorschreiben ließ, was sie zu tun und zu lassen hatte. Wie konnte er es wagen, ihr die Sache mit Dennis Farman vorzuhalten?
In dem von Wand zu Wand reichenden Spiegel über dem Toilettentisch fing sie seinen finsteren Blick auf.
»Anne«, sagte er, stieg aus der Dusche und fasste sie am Arm.
Sie entwand sich
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