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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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schaute auf den Parkplatz in der Sonne. Der Parkwächter mit seinem Uniformhut leitete Autos an seinem kleinen Häuschen vorbei, beugte sich hinein, lächelte und scherzte mit den Besuchern. Der Anblick des Parkwächters versetzte ihn in ein Gefühl tiefster Einsamkeit, er wäre am liebsten Meilen und Abermeilen weit weg gewesen – zu Hause, beim Aufwachen, im Bett liegend, über den beginnenden Tag nachdenkend, an dem er ein Haus verkaufen würde, mit einem Freund Mittagessen gehen, seine Mutter anrufen, zum Sportplatz fahren, ein bisschen Basketball spielen, dann beim Dunkelwerden heimkehren zu einem Menschen, der ihn liebte und verstand. All das war wirklich. All das war möglich, wenn er nicht anrief.
    Doch all das würde bald zu einem Traum-Leben werden, das er nie mehr leben konnte, denn irgendwann würde er irgendwie doch erwischt werden. Eingefangen. Man kam eigentlich nie ungeschoren davon. Und er war ja mit Frances hierher gefahren – zwar nur, um es mit ihr zu treiben; er hatte einige Wahnsinnsfehler gemacht, Fehler der Beurteilung, der Übertreibung, der Maßlosigkeit, der Leidenschaft, der Kurzsichtigkeit, der Dummheit. Klar kam ihm das alles ganz normal vor, als er es tat. Aber niemand würde das so sehen. Niemand würde Partei für ihn ergreifen, selbst wenn es absolut unstrittig als bewiesen gälte, dass er Frances nicht von der Klippe geschubst hatte (er war tatsächlich auf dem Film, seine Hände und Füße, sogar die Zehennägel hatten tatsächlich Spuren auf den Automatten hinterlassen, er war tatsächlich oft genug mit ihr auf dem Kongress gesehen worden). Selbst wenn er letzten Endes vor Gericht freigesprochen wurde – er hatte sich immer noch genug zu Schulden kommen lassen, er hätte es genauso gut tun können. Wer es wirklich getan hatte – Frances hatte es sich selbst angetan –, war eigentlich Haarspalterei. Er hatte es getan. »O Scheiße, was für eine Riesenscheiße.« Das sagte er laut, gerade als einige Fremde an ihm vorbeikamen. Eine junge Frau, die ein Baby in einer Wickelschlinge trug, warf ihm einen Blick zu und lächelte mitfühlend. »Ich muss mir einen Plan machen. Ich versteh’s nicht«, sagte er verzweifelt, denn natürlich gab es jetzt einfach keinen Ausweg mehr.
    So dass er einfach zur Telefonzelle ging, die da in der Vormittagssonne glänzte, den Riemen des Fotoapparats um sein Handgelenk schlang und die ganze, komplizierte Maschinerie der Verantwortung in Gang setzte.
    Später am Tag, als er das Mietauto suchen ging, um der Parkpolizei zu zeigen, wie sie zum Grand Canyon gekommen waren, war es weg. Howard stand in Frotteeshorts und T-Shirt wieder auf dem warmen Parkplatz und musterte die Heckscheinwerfer all der Autos und Wohnmobile und Vans und Freizeitjeeps. Er ging hinüber in die nächste, gelb umgrenzte Reihe – von der er wusste, dass es die falsche war – und schaute dort nach. Nichts, was er sah, erkannte er wieder. Das große rote Feuerwehrauto war weg. Das schien unvorstellbar. Im Sonnenschein, im Blick zweier Polizisten, war es, als hätte er ein Auto erfunden. Zu dumm, dachte er, dass dem nicht so war.
    »Ich weiß einfach nicht«, sagte er, müde, verwirrt und unerklärlicherweise lächelnd, als erzählte er Lügen. »Genau hier haben wir es gelassen.« Er zeigte auf eine Stelle, wo jemand einen großen weißen Dodge Ram Charger geparkt und seinen Aschenbecher auf den Asphalt geleert hatte. Mit einem seltsamen Gefühl dachte er an die Tito-Puente- CD und die Flasche Gin und Frances’ Handtasche und ihr Handy und ihren Reiseführer. Alles weg, wie das Auto.
    Zu den Polizisten gehörte eine junge, steife, kurzhalsige Blondine, vom äußeren Anschein her gar nicht weit entfernt von Frances Bilandic, aber gekleidet in eine enge beige Polizeiuniform mit hoher Taille und ein sauberes weißes T-Shirt unter der Uniformjacke. Sie trug eine absurd große automatische Pistole mit schwarzem Griff, die hoch auf ihrer plumpen kleinen Hüfte saß. »Jorgensen« lautete der Name auf ihrem glänzenden Namensschild aus Messing. »Und Sie sind ganz sicher, dass Sie hier mit einem Mietwagen hergefahren sind?«, sagte sie und schaute zu Howard Cameron hoch, ihre winzigen immergrünen Augen blinzelten, als wollte sie ihn durchdringen, in seine Seele schauen, die Quelle der tiefen Abneigung aufspüren, die sie allmählich empfand. Seine Größe machte ihn unsympathisch, glaubte er. Obwohl, wer würde seine Geschichte nicht anzweifeln, dachte er? Er zweifelte sie ja selber

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