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Eine Weihnachtsgeschichte - Illustrierte Fassung

Eine Weihnachtsgeschichte - Illustrierte Fassung

Titel: Eine Weihnachtsgeschichte - Illustrierte Fassung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Überraschung dabei, daß das Wickelkind die Bratpfanne der Puppe in den Mund steckte, oder wohl gar das hölzerne Huhn samt der Schüssel verschluckt habe! Die große Befriedigung, wenn sie feststellten, daß es eine unbegründete Sorge gewesen! Welche Freude und welche Dankbarkeit und welches Beglücktsein! Das alles war über alle Begriffe. Es muß genügen, zu wissen, daß die Kinder samt ihrem Jubel endlich aus dem Zimmer kamen und zusammen eine Treppe hinaufgingen, wo sie zu Bett gebracht wurden.
    Und als jetzt Scrooge aufmerksamer als früher sah, wie der Herr des Hauses, die Tochter liebkosend ihm zur Seite, sich mit ihr und ihrer Mutter an seinem eigenen Kamin niedersetzte; und wie er sich ausmalte, daß ein ebenso liebliches und vielversprechendes Wesen ihn hätte Vater nennen und gleichsam zu einem Frühling in dem öden Winter seines Lebens hätte werden können, da wurden seine Augen recht trübe.
    »Bella«, sagte der Mann, sich lächelnd zu seiner Frau wendend, »ich sah heute nachmittag einen alten Freund von dir.«
    »Wen denn?«
    »Rate.«
    »Wie kann ich das? Doch, jetzt weiß ich«, fügte sie sogleich hinzu, lachend, wie er lachte. »Mr. Scrooge.«
    »Ja, Mr. Scrooge. Ich ging an seinem Kontorfenster vorüber; und da kein Laden davor war, und Licht drin angezündet war, konnte ich ihn beinahe sehen. Sein Kompagnon liegt im Sterben, hörte ich, und er saß allein dort. Ganz allein in der Welt, glaube ich.«
    »Geist«, sagte Scrooge mit bebender Stimme, »führe mich fort von hier!«
    »Ich sagte dir, daß dieses Schatten gewesener Dinge seien«, sagte der Geist. »Gib mir nicht die Schuld, daß sie so sind, wie sie sind.«
    »Führe mich weg«, rief Scrooge. »Ich kann es nicht ertragen.«
    Er wandte sich an den Geist, und als er sah, daß er ihn mit einem Gesicht anblickte, in dem sich auf eine seltsame Weise einzelne Züge all der Gesichter zeigten, die er gesehen hatte, rang er mit ihm.
    »Laß’ mich, führ’ mich fort. Umspenstere mich nicht länger.«
    In dem Kampfe, wenn das ein Kampf genannt werden kann, in dem der Geist ohne wahrnehmbaren Widerstand seinerseits durch Anstrengungen seines Gegners nicht gestört war, bemerkte Scrooge, daß das Licht auf seinem Haupte hoch und hell brannte. In einem dunklen Instinkt brachte er jenes Licht mit des Geistes Einfluß auf sich in Zusammenhang und ergriff den Lichtauslöscher und stülpte ihn auf des Geistes Haupt.
    Der Geist sank darunter zusammen, so daß der Lichtauslöscher seine ganze Gestalt bedeckte; aber obgleich Scrooge ihn mit ganzer Kraft niederdrückte, konnte er das Licht nicht verbergen, das darunter hervorströmte und mit hellem Schimmer den Boden überflutete.
    Er fühlte sich sehr erschöpft und von einer unwiderstehlichen Müdigkeit befallen, und er war sich bewußt, daß er in seinem eigenen Schlafzimmer war. Er gab dem Lichtauslöscher noch einen Druck zum Abschied und fand kaum Zeit, in das Bett zu wanken, als er auch schon in tiefen Schlaf sank.

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    1 Anspielung auf die in jener Zeit, da Dickens dieses Werk schrieb, nicht sonderlich glückliche finanzielle Lage der Vereinigten Staaten von Amerika.
    2 Anspielung auf Märchengestalten aus »Tausend und einer Nacht«, später auf das Jugendbuch Robinson Crusoe.
    3 Eine Art Punsch.
    4 Ein behaglicher Tanz nach der Art des deutschen: »Und als der Großvater die Großmutter nahm.«

Drittes Kapitel – Der zweite der drei Geister
    A ls Scrooge mitten in einem tüchtigen Geschnarch aufwachte, richtete er sich im Bett empor, um seine Gedanken zu sammeln. Diesmal brauchte ihm niemand erst zu sagen, daß die Glocke zum Schlage eins ausholen wollte. Er fühlte, daß er gerade zu der rechten Zeit und zu dem ausdrücklichen Zweck erwacht sei, um eine Unterredung mit dem zweiten an ihn durch Jakob Marleys Vermittlung abgesandten Boten zu führen. Aber bei dem Gedanken, welche von den Bettgardinen das neue Gespenst wohl zurückziehen würde, überlief es ihn kalt, und er schlug sie eigenhändig zurück. Dann legte er sich wieder nieder und beschloß, rund um das Bett scharfe Ausschau zu halten. Er wollte den Geist im Augenblick seiner Erscheinung anreden und wünschte nicht, überrascht und nervös gemacht zu werden.
    Leute von freier und leichter Natur, die sich schmeicheln, es schon mit etwas aufnehmen zu können und immer auf dem Platze zu sein, betonen ihre weitreichenden Fähigkeiten dadurch, daß sie erklären, sie wären zu allem imstande, vom Brotessen bis zum

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