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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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Deckel abschraubte. Mit zwei tiefen Schlucken hatte sie die Flasche leer und jodelte: »Bacardiii!«
    »Die merken doch, dass du hier warst!«, rief ich.
    Alaska riss die Augen auf. »Oh nein, du hast recht, Pummel!«, sagte sie. »Vielleicht gehen sie zum Adler und melden, dass jemand von ihrem Bacardi getrunken hat!« Lachend lehnte sie sich aus dem Fenster und warf die leere Flasche ins Gras.
    Wir fanden auch haufenweise Pornoheftchen, halbherzig unter Matratzen und Lattenrosten versteckt. Neben Basketball und Gras hatte Hank Walsten offensichtlich noch eine dritte Vorliebe: Er stand auf riesige Brüste. Einen Film fanden wir allerdings erst in Zimmer 32, das sich Joe und Marcus teilten, zwei Jungs aus Mississippi. Sie waren bei uns in Religion und wir aßen manchmal zusammen zu Mittag, aber besonders gut kannte ich sie nicht.
    Alaska las das Etikett des Videos vor. » Die Muschis aus Madison County. Klingt ja reizend.«
    Wir rannten mit dem Video zum Fernsehraum, zogen die Vorhänge zu, schlossen die Tür ab und sahen uns den Film an. Es begann mit einer Frau, die breitbeinig auf einer Brücke stand, während ein Kerl vor ihr kniete und sie leckte. Keine Zeit für Dialoge, nehme ich an.
    Später, als sie es taten, schimpfte Alaska ehrlich empört: »Die lassen es einfach nicht so aussehen, als ob die Frau Spaß dabei hat. Sie ist doch nur Objekt. Schau dir das an! Schau!«
    Ich schaute natürlich längst. Die Frau war auf allen vieren, der Kerl kniete hinter ihr. »Mach’s mir, mach’s mir«, stöhnte sie mechanisch, und obwohl ihre leeren braunen Augen vollkommenes Desinteresse verrieten, kam ich nicht umhin, mir mental Notizen zu machen. Hände auf ihre Schultern, merkte ich mir. Schnell, aber nicht zu schnell, sonst ist es schnell vorbei. So wenig grunzen wie möglich.
    Als würde sie meine Gedanken lesen, mischte sich Alaska ein: »Also, Pummel. Du darfst nie so hart rangehen. Das tut doch weh. Sieht aus wie Folter. Und sie soll nur da sitzen und es sich besorgen lassen? Was du hier siehst, sind nicht ein Mann und eine Frau. Was du hier siehst, sind ein Penis und eine Vagina. Was soll daran erotisch sein? Wann küssen sie sich?«
    »In dieser Position können sie sich nicht küssen«, stellte ich fest.
    »Genau das ist der Punkt. Er kann nicht mal ihr Gesicht sehen! Sie ist Ware, sie ist ein Objekt. So was kann aus Frauen werden, Pummel. Sie ist jemandes Tochter, Pummel. So was lasst ihr uns für Geld tun.«
    »Ich ja wohl nicht«, verteidigte ich mich. »Ich meine, ehrlich. Ich bin doch kein Pornoproduzent.«
    »Sieh mir in die Augen und sag mir, dass dich das nicht anturnt.«
    Ich konnte nicht. Sie lachte. Schon gut, sagte sie. Das ist gesund. Und dann stand sie auf und schaltete den Fernseher aus, legte sich bäuchlings aufs Sofa und murmelte irgendwas.
    »Was hast du gesagt?«, fragte ich, ging zu ihr hinüber und legte ihr die Hand auf den Rücken.
    »Pscht«, sagte sie. »Ich schlafe.«
    Einfach so. Von hundertachtzig in Tiefschlaf in einer Nanosekunde. Wie gerne hätte ich mich zu ihr aufs Sofa gekuschelt, dieArme um sie gelegt und wäre mit ihr eingeschlafen. Kein Vögeln wie in dem Film. Nicht mal Sex. Einfach nur zusammen schlafen, im unschuldigsten Sinn des Wortes. Aber mir fehlte der Mut, und sie hatte einen Freund, und ich war linkisch, und sie war wunderschön, und ich war hoffnungslos langweilig, und sie war unendlich faszinierend. Also ging ich zurück in mein Zimmer, legte mich ins Bett und dachte, wenn Menschen Niederschlag wären, wäre ich Nieselregen und sie wäre ein Hurrikan.
Siebenundvierzig Tage vorher
    Am Mittwochmorgen, einen Tag vor Thanksgiving, wachte ich mit einer verschnupften Nase auf und lernte ein völlig neues Alabama kennen. Als ich über die Wiese zu Alaskas Zimmer ging, knisterte der Reif unter meinen Sohlen. In Florida hat man nicht häufig Frost – und ich hüpfte aufgeregt auf und ab, als würde ich über Blubberfolie laufen. Krk. Krk. Krk.
    Alaska hielt eine brennende grüne Kerze in der Hand und ließ Wachs in einen riesigen selbstgebastelten Vulkan tropfen, der mich an ein farbenfrohes Physikexperiment der Mittelstufe erinnerte.
    »Verbrenn dir nicht die Finger«, sagte ich, als die Flamme an ihrer Hand hinaufleckte.
    » Rasch fällt die Nacht. Heut’ ist schon vorbei «, sagte sie, ohne aufzusehen.
    »Warte mal, das hab ich schon mal gehört. Was ist das?«, fragte ich.
    Mit der freien Hand griff sie nach einem Buch und warf es mir zu. Es landete zu meinen

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