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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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Decapitation, nur lauter. Wir waren schon zehn Meter entfernt, doch ich hatte das Gefühl, mir würde das Trommelfell platzen.
    Ich dachte: Hören wird er das auf jeden Fall.
    Wir rannten am Fußballplatz vorbei in den Wald, rannten den Abhang hinauf, mit nur vager Orientierung. Erst im letzten Moment tauchten Äste und bemooste Steine aus dem Dunkel auf, mehrmals rutschte ich aus und stürzte und hatte Angst, dass der Adler uns einholte, doch ich rappelte mich immer wieder hoch und rannte weiter hinter Takumi her, fort vom Schulgebäude und von den Schlafsälen. Wir rannten, als hätten wir geflügelte Schuhe an. Ich rannte wie ein Gepard – besser gesagt, wie ein Gepard, der zuviel rauchte. Und dann, nach exakt einer Minute bei vollem Tempo, blieb Takumi stehen und riss den Rucksack auf.
    Jetzt war ich mit dem Countdown dran. Ich starrte auf die Uhr. Voller Angst. Inzwischen war er bestimmt draußen. Wahrscheinlich rannte er. Ich fragte mich, wie schnell er war. Er war alt, aber wahrscheinlich fuchsteufelswild.
    »Fünf vier drei zwei eins«, dann zischelte es. Wir warteten nicht, sondern rannten gleich los, weiter nach Westen. Keuchend. Ich fragte mich, ob ich das hier eine halbe Stunde lang durchhielt. Die Böller krachten.
    Als der Lärm verhallte, schrie eine Stimme: »STEHEN BLEIBEN! SOFORT!« Aber wir blieben nicht stehen. Stehen bleiben stand nicht im Plan.
    »Ich bin der gottverdammte Fuchs«, flüsterte Takumi zu sich selbst und zu mir. »Keiner kann den Fuchs erwischen.«
    Eine Minute später lag ich auf dem Boden. Takumi zählte rückwärts. Die Lunte brannte. Wir rannten.
    Doch es war ein Blindgänger. Auf einen Blindgänger waren wir vorbereitet und hatten eine zusätzliche Schnur Böller dabei. Zwei Blindgänger allerdings würden den Colonel und Alaska eine Minute kosten. Takumi hockte sich hin, zündete die Zündschnur an und rannte. Das Rattattarattat brach los. Die Böller krachten synchron mit meinem Puls.
    Als alle Böller hochgegangen waren, hörten wir: »STEHEN BLEIBEN, ODER ICH RUFE DIE POLIZEI!« Und auch wenn die Stimme weit entfernt klang, konnte ich den sengenden Blick der Verdammnis spüren.
    »Die Bullen können den Fuchs nicht stoppen, ich bin zu schnell«, sagte Takumi zu sich selbst. »Sogar beim Rennen kann ich reimen wie DJ Hell.«
    Der Colonel hatte uns vor der Drohung mit der Polizei gewarnt, aber gemeint, wir sollten uns keine Sorgen machen. Der Adler wollte keine Polizei auf dem Schulgelände. Schlechte Publicity. Also rannten wir weiter. Durch Unterholz, Büsche und Gestrüpp, drunter und drüber und mittendurch. Wir stolperten. Wir standen auf. Wir rannten. Falls er den Böllern nicht folgen konnte – unseren Flüchen, wenn wir über Baumstämme und in Dornenhecken stürzten, würde er bestimmt folgen können.
    Eine Minute. Ich kniete mich hin, zündete die Lunte an, rannte. Rattat-rattattat-rattat.
    Dann wandten wir uns nach Norden, weil wir dachten, wir wären jenseits des Sees. Das war der Knackpunkt des Plans. Je weiter wir kamen, ohne das Gelände zu verlassen, desto länger würde uns der Adler folgen. Je länger er uns folgte, desto weiter weg wäre er vom Schulgebäude, wo der Colonel und Alaska das Ihrige taten. Und dann wollten wir einen Haken schlagen und uns nach Osten zum Creek schleichen, bis wir zur Brücke über der Grotte kamen, und von dort wollten wir triumphal zur Scheune zurückmarschieren.
    Aber hier lag das Problem: Wir hatten einen kleinen Fehler bei der Navigation gemacht. Wir waren noch gar nicht am See vorbei; vor uns war eine Wiese und dahinter der See. Zu nah an der Schule. Es blieb uns nur der Weg am Ufer entlang. Ich sah Takumi an, der neben mir im Gleichschritt rannte. »Mach hier einen an«, keuchte er.
    Also bückte ich mich, zündete die Lunte, und wir rannten. Wir mussten über die Lichtung rennen, und falls der Adler hinter uns her war, würde er uns sehen. Wir erreichten den südlichen Zipfel des Sees und rannten weiter am Ufer entlang. Der See war nicht groß, vielleicht vierhundert Meter lang, und wir hatten es nicht mehr weit, als ich ihn sah.
    Den Schwan.
    Wie ein Dämon glitt er über das Wasser auf uns zu. Er schlug wie wild mit den Flügeln, dann hatte er das Ufer erreicht und stieß Töne aus, wie ich sie noch nie gehört hatte, schlimmer als ein sterbender Hase und ein schreiendes Baby zusammen. Aber es gab keinen Ausweg, wir mussten weiterrennen. In vollem Tempo prallte ich mit dem Schwan zusammen und fühlte, wie er mir in

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