Eine wie Alaska
die Fenster runter, obwohl uns die Februarkälte ins Gesicht biss und das Heulen des Windes jede Unterhaltung unmöglich machte. Ich saß hinten in meiner Ecke des Wagens und rauchte und grübelte darüber nach, warum die Frau von Coosas sich das Haar nicht einfach ausriss. Durch Takumis Fenster pfiff mir der Wind direkt ins Gesicht. Ich rutschte in die Mitte und sah im Rückspiegel den Colonel, der Shotgun gerufen hatte. Er lächelte, als er den Kopf in den Wind hielt, der durch sein offenes Fenster fegte.
Sechsundvierzig Tage danach
Ich hatte keine Lust, mit Lara zu reden, aber am nächsten Tag beim Mittagessen machte mir Takumi ein höllisch schlechtes Gewissen.
»Was denkst du, was Alaska von so ner Scheiße halten würde?«, fragte er und sah zu Lara rüber. Lara saß drei Tische weiter bei Katie, ihrer Mitbewohnerin, die irgendeine Geschichte erzählte, und sie lächelte jedes Mal, wenn Katie über ihre eigenen Witze lachte. Lara lud sich Mais auf die Gabel, dann senkte sie den Kopf und schob sich die Gabel in den Mund – eine stille Esserin.
»Sie könnte zu mir kommen«, sagte ich zu Takumi.
Takumi schüttelte den Kopf. Er hatte den Mund voll Kartoffelbrei, als er sagte: »Da’ mu’t du machen.« Er schluckte. »Ich will dich mal was fragen, Pummel. Wenn du alt und grau bist, und deine Enkel sitzen auf deinem Schoß und sehen zu dir auf und fragen: ›Opa, Opa, von wem hast du deinen ersten Blowjob bekommen?‹, willst du ihnen dann sagen müssen, irgendein Mädchen, aber du hast sie für den Rest des Schuljahrs ignoriert? Nein!« Er grinste. »Viel schöner ist es, wenn du sagen kannst: ›Meine liebe Freundin Lara Buterskaya. Bildhübsches Mädchen. Viel hübscher als eure Großmutter.‹« Ich lachte. Also gut. Okay. Ich musste mit Lara reden.
Nach der Schule ging ich zu Laras Zimmer und klopfte, und dann stand sie in der Tür und sah mich an, als wollte sie sagen: Was ist? Was willst du jetzt? Du hast schon alles verbockt, Pummel. Ich hatte ihr Zimmer nur einmal betreten, damals, als ich feststellte, dass ich, Küssen hin oder her, nicht mit ihr reden konnte. Doch bevor das Schweigen noch schlimmer wurde, zwang ich mich, den Mund aufzumachen.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
»Was?«, fragte sie und sah mich immer noch an, ohne mich richtig anzusehen.
»Dass ich nicht mit dir geredet habe. Und alles andere«, sagte ich.
»Du hast niecht mein Freund sein müssen.« Sie war so hübsch – ihre großen Augen, die jetzt blinzelten, ihre weichen, runden Wangen, und doch erinnerten mich ihre runden Wangen nur an Alaskas schmales Gesicht, an Alaskas hohe Wangenknochen. Aber damit würde ich leben können – das musste ich wohl. »Du hättest einfach ein Freund sein können«, sagte sie.
»Ich weiß. Ich hab’s verbockt. Es tut mir leid.«
»Vergib dem Arschloch bloß nicht«, rief Katie aus dem Zimmer heraus.
»Ich vergebe dir.« Lara lächelte und umarmte mich, die Hände in meinem Kreuz verschränkt. Ich drückte sie und roch den Veilchenduft in ihrem Haar.
» Ich vergebe dir nicht«, sagte Katie und tauchte in der Tür auf. Und obwohl Katie und ich uns nicht sehr gut kannten, schien die Atmosphäre auf einmal vertraut genug, dass sie mir das Knie in die Eier rammte. Dann lächelte sie, während ich ächzend in die Knie ging, und sagte: » Jetzt vergebe ich dir.«
Lara und ich machten einen Spaziergang am See – ohne Katie – und wir redeten. Wir redeten – über Alaska und über den letzten Monat, darüber, dass sie mich und Alaska vermisst hatte, während ich nur Alaska vermissen musste (da hatte sie recht). Ich erzählte ihr so viel von der Wahrheit, wie ich konnte, von den Böllern bis zu dem Besuch auf dem Polizeirevier von Pelham und den weißen Tulpen.
»Ich hab sie geliebt«, sagte ich, und Lara sagte, sie habe sie auch geliebt, und ich sagte: »Ich weiß, aber das war der Grund. Ich hab sie geliebt, und als sie tot war, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Es kam mir unehrlich vor. Wie Betrügen.«
»Das ist kein guter Grund«, sagte sie.
»Ich weiß«, antwortete ich.
Sie lachte leise. »Na dann. Wenn du es weißt.« Ich wusste, ich konnte ihr die Wut nicht ganz nehmen, aber zumindest redeten wir wieder miteinander.
An jenem Abend, als die Dunkelheit hereinbrach, die Frösche quakten und die ersten Insekten wieder über die Wiesen summten, wanderten wir vier – Takumi, Lara, der Colonel und ich – im kühlen grauen Licht des Vollmonds zur Rauchergrotte.
»Du,
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