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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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wir seit über einem Monat keinen Blickkontakt mehr gehabt.
    Inzwischen ging ich davon aus, dass sie mich vergessen hatte. Schließlich waren wir nur einen Tag zusammengewesen, wenn es auch ein ereignisreicher Tag gewesen war. Aber als ich auf dem Weg zum Mathekurs ungebremst gegen ihre linke Schulter prallte, wirbelte sie herum und funkelte mich von unten an. Wütend, und zwar nicht wegen des Zusammenpralls. »Tut mir leid«, stotterte ich, doch sie starrte mich an, als würde sie entweder zu schreien oder zu weinen anfangen, und dann verschwand sie wortlos in ihrem Klassenraum. Es waren die ersten drei Worte, die ich seit einem Monat zu ihr gesagt hatte.
    Ich wünschte, ich hätte das Bedürfnis gehabt, mit ihr zu reden. Ich wusste, dass mein Verhalten schrecklich war. Stell dir vor , sagte ich mir immer wieder, du wärst Lara, mit einer toten Freundin und einem Exfreund, der nicht mit dir redet. Doch in mir war nur Platz für ein einziges Bedürfnis. Alaska war tot, und ich wollte wissen wie und warum, und Lara konnte es mir nicht sagen, und alles andere war mir egal.
Fünfundvierzig Tage danach
    Wochenlang hielten der Colonel und ich uns beim Rauchen mit Spenden über Wasser – alle gaben uns Zigarettenpäckchen billiger oder umsonst, angefangen bei Molly Tan bis zum einst kurz geschorenen Longwell Chase. Es war, als wollten uns die Leute beistehen, und was Besseres fiel ihnen nicht ein. Aber gegen Ende Februar gingen uns schließlich die Spenden aus. Na und? Ich hatte die ganze Zeit kein gutes Gefühl dabei gehabt, Gaben von Leuten anzunehmen, die nicht wussten, dass wir die Pistole geladen und ihr in die Hand gedrückt hatten.
    Und so fuhr uns Takumi nach der Schule bei Coosa Liquors vorbei (»Wir kümmern uns um ihr geistiges Wohl«). Am Nachmittag hatten Takumi und ich das traurige Ergebnis der ersten wichtigen Matheklausur des zweiten Halbjahrs zurückbekommen. Möglicherweise weil Alaska nicht mehr da war, um uns über einem Berg McUngenießbarer Pommes Integralrechnung zu erklären, möglicherweise weil wir nicht viel gebüffelt hatten. Jedenfalls liefen wir jetzt beide Gefahr, dass unsere Eltern einen Brief bekamen.
    »Das Problem ist, der Stoff interessiert mich einfach nicht«, stellte Takumi fest.
    »Könnte schwer werden, dem Aufnahmegremium in Harvard das so zu erklären«, wandte der Colonel ein.
    »Weiß nicht«, sagte ich. »Mich hat der Stoff richtig mitgerissen.«
    Wir lachten, doch dem Lachen folgte ein drückendes Schweigen. Ich wusste, dass wir alle drei an sie dachten, kalt und stumm, tot, nicht mehr Alaska. Die Vorstellung, dass Alaska nicht mehr existierte, warf mich jedes Mal aus der Bahn, wenn ich daran dachte, immer noch. Sie liegt in Vine Station, Alabama, unter der Erde und verwest , dachte ich, aber das war es nicht nur. Ihr Körper war wenigstens noch da – doch sie, sie war nirgends, nichts. PUFF.
    Immer wenn es mal lustig war, schien im nächsten Moment eine Traurigkeit aufzukommen, denn immer dann fühlte es sich so an wie früher, als sie bei uns war, und wir mussten aufs Neue feststellen, wie absolut und vollkommen fort sie war.
    Ich kaufte Zigaretten. Ich hatte Coosas Schnapsladen nie betreten, doch er war genauso deprimierend, wie Alaska ihn beschrieben hatte. Die schmutzigen Dielen knarrten, als ich zum Tresen ging, und ich sah das große Fass mit brackigem Wasser, das angeblich LEBENDKÖDER enthielt, doch stattdessen trieb ein Schwarm toter Fischchen an der Oberfläche. Die Frau hinter dem Tresen lächelte mit allen vier Zähnen, als ich sie um eine Stange Marlboro Lights bat.
    »Bis’ du aus Culver Creek?«, fragte sie, und ich wusste nicht, ob ich ehrlich antworten sollte, denn Highschool-Schüler waren normalerweise unter neunzehn. Doch sie griff nach der Stange Zigaretten im Regal hinter sich und legte sie, ohne nach meinem Ausweis zu fragen, auf den Tresen, also sagte ich: »Ja, Ma’am.«
    »Wie läuft’s in der Schule?«, fragte sie.
    »Ganz gut«, antwortete ich.
    »Hab gehört, bei euch oben hat’s nen Todesfall gegeben.«
    »Ja, Ma’am.«
    »Tut mir schrecklich leid.«
    »Danke.«
    Die Frau, deren Namen ich nicht kannte, weil der Laden nicht zu der Art von Geschäften gehörte, wo die Angestellten Namensschilder trugen, hatte einen Leberfleck auf der linken Wange, aus dem ein langes weißes Haar wuchs. Es war nicht wirklich widerlich, doch ich musste ständig hinstarren.
    Als ich wieder im Auto saß, gab ich dem Colonel ein Päckchen Zigaretten.
    Wir ließen

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