Eine wie Alaska
Und Alaska antwortet: ›Ich hatte einen grandiosen Achtmonatstag.‹« Und in der Stimme des Colonels konnte ich die Aufregung in ihrer Stimme durchhören, die Art, wie sie bestimmte Worte aussprach, grandios oder fantastisch und absolut. »Dann war es still, und dann sagt Jake: ›Was machst du grade?‹, und sie sagt: ›Nichts, ich kritzel nur so rum‹, und dann sagt sie: ›Oh Gott.‹ Und dann sagt sie: ›Scheiße, scheiße, scheiße‹, und fängt an zu heulen und sagt, sie muss gehen, aber sie würde sich später melden. Sie hat nicht gesagt, dass sie zu ihm fahren würde, und Jake glaubt auch nicht, dass sie zu ihm wollte. Er weiß zwar nicht, wohin sie wollte, aber er meint, sie hätte ihn immer vorher gefragt. Und weil sie das nicht getan hat, ist sie nicht auf dem Weg zu ihm gewesen, meint er. Wartet, lasst mich zitieren.« Er blätterte die Seite um. »Okay, hier: ›Sie hat gesagt, sie meldet sich später, nicht, dass sie herkommt .‹«
»Zu mir sagt sie: ›Wir machen morgen weiter‹, und zu ihm sagt sie, sie meldet sich später«, stellte ich fest.
»Ja. Vermerkt. Verdächtige plant für Zukunft. Spricht gegen Selbstmord. Als sie zurück ins Zimmer kommt, schreit sie rum, sie hat irgendwas vergessen. Und dann findet ihr wahnsinniger Wettlauf sein Ende. Es gibt wohl keine Antworten, wie es aussieht.«
»Immerhin wissen wir, wo sie nicht hinwollte.«
»Außer, sie war außergewöhnlich spontan drauf«, sagte Takumi. Er sah mich an. »Und in Anbetracht gewisser Tatsachen schien sie in der Nacht ziemlich spontan gewesen zu sein.«
Der Colonel sah mich neugierig an, und ich nickte.
»Ja«, sagte Takumi. »Ich weiß davon.«
»Aha. Und du warst sauer, aber dann habt ihr zusammen geduscht, und jetzt ist alles wieder in Butter. Spitze. Also, in jener Nacht …«, fuhr der Colonel fort.
Und dann versuchten wir, Takumi so gut wie möglich zu berichten, worüber wir uns in jener Nacht unterhalten hatten, doch wir erinnerten uns beide nicht besonders gut, weil der Colonel betrunken gewesen war und ich nicht zugehört hatte, bis sie mit Wahrheit oder Pflicht anfing. Außerdem hatten wir damals nicht gewusst, wie viel das alles später zu bedeuten hatte. Es ist schwer, sich an letzte Worte zu erinnern, wenn man nicht weiß, dass jemand sterben wird.
»Ich glaube«, sagte der Colonel, »ich glaube, wir haben darüber geredet, dass ich auf dem Computer total auf Skateboarden stehe, aber es würde mir nicht im Traum einfallen, mich im richtigen Leben auf ein Skateboard zu stellen, und dann hat sie gesagt: ›Komm, wir spielen Wahrheit oder Pflicht‹, und dann habt ihr gepoppt.«
»Wie bitte, ihr habt gepoppt? Vor dem Colonel? «, rief Takumi.
»Wir haben nicht gepoppt.«
»Beruhigt euch, Jungs«, sagte der Colonel und hob entschuldigend die Hände. »Das war eine Metapher.«
»Wofür?«, fragte Takumi.
»Küssen.«
»Tolle Metapher«, brummte Takumi. »Bin ich der Einzige, der glaubt, das könnte was zu bedeuten haben?«
»Hm, darüber hab ich nie nachgedacht«, sagte ich ironisch. »Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Sie hat es Jake gegenüber nicht erwähnt. War wohl nicht so wichtig.«
»Vielleicht hatte sie ein schlechtes Gewissen«, sagte er.
»Jake meinte, bevor sie ausgeflippt ist, war sie ganz normal am Telefon«, sagte der Colonel. »Aber es muss was mit dem Telefongespräch zu tun haben. Irgendwas ist passiert, das wir nicht kapieren.« Frustriert raufte er sich sein dichtes Haar. »Verdammt, irgendwas ist passiert. Irgendwas in ihr drin. Wir müssen einfach nur rausfinden, was das war.«
»Ach, wir müssen einfach nur die Gedanken einer Toten lesen?«, sagte Takumi. »Kinderspiel.«
»Haargenau. Besaufen wir uns?«, fragte der Colonel.
»Ich hab keine Lust auf Trinken«, sagte ich.
Der Colonel griff in die Schaumstoffspalte in der Couch und holte Takumis Gatorade-Flasche heraus. Auch Takumi lehnte ab, doch der Colonel grinste nur und sagte: »Umso mehr für mich«, und dann setzte er die Flasche an.
Siebenunddreißig Tage danach
Am Mittwoch nach Religion rannte ich in Lara hinein – buchstäblich. Natürlich hatten wir uns öfter gesehen. Ich sah sie fast jeden Tag – in Englisch oder in der Bibliothek, wo sie sich flüsternd mit Katie, ihrer Mitbewohnerin, unterhielt. Ich sah sie mittags und abends im Speisesaal, und ich hätte sie wahrscheinlich auch beim Frühstück gesehen, wenn ich hingegangen wäre. Und mit Sicherheit sah sie mich auch, aber bis zu diesem Morgen hatten
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