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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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und kehren Sie dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind, ohne nach rechts oder links zu blicken! Fliehen Sie, sage ich Ihnen, fliehen Sie, so weit Ihre Füße Sie tragen, und gehen Sie nicht in dieses Land!«
    »Und mein Bruder?!«, brauste Jankel Marder auf. »Mein Bruder, der Millionär?! Hier ist das Bild! Schauen Sie!«
    »Ihr Bruder? – Firlefanz!«, erwiderte sein Gesprächspartner mit wegwerfender Geste, ohne einen Blick auf das Foto zu werfen. »Ihr Bruder, der Millionär! Ein Bettler ist er, ein Hausierer, ein elender Pedlar ! Verdient fünfzig Cent am Tag – allerhöchstens! Yes , Mister! Fünfzig Cent pro Tag, keinen halben Cent mehr als das, und schuftet wie ein Gaul – das ist Ihr Bruder! Was Amerika angeht, fragt bitte mich!«
    »Sie haben in Amerika wohl kein Glück gehabt, wenn Sie das Land so schlechtmachen, Bruder.«
    »Ich soll in Amerika kein Glück gehabt haben?! Wissen Sie denn überhaupt, mit wem Sie reden, Mister? Sie habenden berühmten Sänger Arnold Kroin vor sich! Hören Sie den Namen Arnold Kroin! Berühmt in aller Welt. Ein Heldentenor! Der erste Sänger in allen Theatern Amerikas! Arien aus Carmen , aus La Traviata und aus Tosca ! Ich soll in Amerika keinen Erfolg gehabt haben?!«
    Der Hüne im schwarzen Russenkittel hatte sich die Fingernägel fertig gestutzt, klappte das Taschenmesser zusammen und sagte lachend: »Heldentenor, erster Sänger – mit dieser Stimme?«
    »Was verstehen Sie denn von Singstimmen? Da hätten wir ja einen ganz neuen Experten!«
    »Sie sind doch heiser wie ein Gockel. Arien, Carmen, Tosca! Solche Narren sind schon ausgestorben, Mister! Wenn Sie erster Sänger in Amerika waren, dann stimme ich Ihnen zu, dass es ein verdammtes Land ist!«
    »Sieh mal einer an, dieser lange Schlaks! Wo kommen Sie überhaupt her? Haben Sie jemals einen echten Sänger gehört? Sie sind ja kaum den Windeln entwachsen! Wissen Sie, was ein Heldentenor ist?! Do, re, mi, fa, sol – warten Sie ein paar Tage, bis meine Erkältung abgeklungen ist, dann werden Sie Arnold Kroin zu hören bekommen!«
    »Interessiert mich nicht!«
    »Das sag ich ja, Sie verstehen von Gesang so viel wie ein Frosch von Philosophie!«
    »Ihren Heldentenor sollten Sie lieber dem Kuriositätenkabinett spenden, so ein komisches Geschöpf haben sie dort noch nicht.«
    »Was soll man mit einem Hering wie Ihnen schon reden? Man müsste Sie zum Dörren aufhängen!«
    »Was sagst du dazu, Schewtel«, assistierte jetzt Jankel Marder, »dieser falsche Fuffziger soll ein Sänger in Amerika gewesen sein, dem Land der größten Sänger der Welt. Welcher Depp soll das glauben?«
    »Und Sie alten Bock würde man keinen Fuß auf den Kontinentsetzen lassen! Würde Sie mit demselben Dampfer zurückschicken, auf dem Sie gekommen sind. Auf Leute wie Sie wartet dort keiner!«
    »Ich bin sicher, Sie sind selber nie dort gewesen. Was sagst du, Schewtel?«
    »War er nicht!«, urteilte der knapp.
    »Ich hab’s gar nicht nötig, mit welchen wie Ihnen zu reden. Arnold Kroin mit solchen Kreaturen!«
    »Nein, nein, reden Sie nicht! Achten Sie lieber auf Ihren Tenor, damit Sie ihn nicht verlieren.«
    Michael Rost wusste da noch nicht, wo er übernachten sollte, zerbrach sich aber nicht zu sehr den Kopf darüber. Es würde sich schon ein Ausweg finden. Im Lokal war es laut und betriebsam. Die drei Säle waren voll besetzt mit Gästen aller Altersstufen und Berufsgruppen aus verschiedenen Herkunftsländern. Im Stehen und Sitzen unterhielten sie sich, diskutierten, tätigten zweifelhafte Geschäfte, führten müßige Reden, tranken Tee, Bier, Schnaps, lärmten unaufhörlich.
    Hinter der Theke, in einer rein weißen Bluse, stand Malwine, die Tochter von Reb Chaim Stock, dem Wirt, ein schwarzes Samtband im goldschimmernden schwarzen Haar. Sie hatte schwarze Mandelaugen, eine schmale Adlernase und einen schmallippigen, kaum sichtbaren Mund, der meist fest verschlossen war. Beim Lachen entblößte sie hübsche kleine Zähne, aber wenn ihre Mutter in der Küchentür auftauchte, die zu einem der Säle führte, wussten alle sofort, wie die Tochter in vierzig Jahren aussehen würde. Die Mutter war dick, untersetzt und trug eine braune Perücke, die auf ihren Brauen aufsaß. Ihr breites, knochiges Gesicht leuchtete stets weißlich, ohne jede Spur von Rot, glänzte von Küchenfett, und ein paar lockige Härchen sprossen auf Kinn und Wangen. Sie blieb auf der Schwelle stehen, klappertemit dem großen Schlüsselbund an ihren breiten Hüften wie mit

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