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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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Ihre dunklen Augen funkelten ihn auf einmal hasserfüllt an. »Nichts! Kein einziges Wort wirst du aus mir rauskriegen, hörst du?!« Mit einer ärgerlichen Kopfbewegung versuchte sie die Haarsträhnen zurückzuwerfen, die ihr ins Gesicht gefallen waren. Rost nahm ihre Hand und sagte eindringlich: »Hör mal, Kleine, ich bin nicht zu Wortgefechten hergekommen, verstanden?«
    »Und wozu dann? Möchtest du mit mir schlafen? Gleich auf der Stelle? Du siehst mir nicht aus wie einer, der noch keine Frau gehabt hat! Das hab ich im Blick, Freundchen! Und wenn die Leidenschaft dich gepackt hat – bitte schön!« Sie leerte ihr Glas.
    Nach kurzer Pause, mit veränderter Stimme, in der ein schmerzlicher Unterton mitschwang, fuhr sie fort: »Der Mensch wünscht sich eine Illusion, weißt du … und sei es nur ein einziges Mal … Wie soll es wohl ohne das gehen? Der Liebhaber schleicht sich tief in der Nacht ins Zimmer seiner Geliebten, hahaha! Komm, stoß mit mir an! Auf das Leben deiner Geliebten …« Sie stand auf und tat einen Schritt in die Zimmermitte, machte kehrt und stellte sichneben ihn, nahm dann aber doch wieder Platz. Den Kopf in die Hand gestützt, blieb sie eine Weile reglos sitzen.
    »Etwas komisch, das Ganze«, sinnierte Rost, indem er sie anschaute und rauchte, »wie lange treibst du schon dieses Gewerbe?«
    Sie hob verwundert die Augen, als sei sie überrascht über seine Anwesenheit. Dann fauchte sie: »Vier, fünf Jahre – zu Ihren Diensten, Euer Hochwohlgeboren! Möchten Sie noch was wissen? Im Viertel nennt man mich ›die brünette Jeanette‹, und ›mein Mann‹ ist vor einiger Zeit zur Zwangsarbeit verurteilt worden. Ist dein Mütchen schon gekühlt? Alles wie üblich, nicht wahr!«
    Rost erhob sich. »Du willst mich wohl zu einer Schlägerei anstacheln, was? Oder vielleicht zu einer kleinen Vergewaltigung, ha? Was verkaufst du denn so?«
    Darauf sprang sie, knallrot geworden, vom Stuhl hoch. Fieberhaft zog sie ihr orangefarbenes Kleid aus, den rosa Seidenunterrock, den Strumpfbandgürtel, warf alles nacheinander aufs Bett. Nur Strümpfe und Schuhe behielt sie an. Ihr Körper war schön, die Figur perfekt. Im Nähertreten deutete sie auf ihre einzelnen Körperteile, kochend vor Wut: »Hier, mein Herr, das verkaufe ich! Und das! Ist das etwa schlechte Ware? Ist das Ausschuss?«
    Rost brach unversehens in schallendes Gelächter aus. »Die Vorderseite ist nicht schlecht! Wirklich!« Er setzte sich wieder und zog die nackte Frau auf seinen Schoß. »Na, du hübsche Kleine! Ich bin bereit, Geburtstag mit dir zu feiern!«
    Sie blieb ein Weilchen sitzen, ihre Schultern erzitterten hin und wieder. Schließlich stand sie auf und schlüpfte in einen weiten Morgenrock, den sie aus dem Schrank geholt hatte. In ihren Augen funkelten Tränen. Nachdem sie ihren Platz am Tisch wieder eingenommen hatte, schenkte sie sich Wein ein und trank. »Halte mich nicht für eine Verrückteoder für eine zänkische Frau. Ich weiß sehr wohl, dass du jeden Moment aufstehen und weggehen kannst, und dann … Vor diesem Moment habe ich große Angst. Das gebe ich offen zu. Diese Flasche, der Tisch, das Bett – alles erschreckt mich, alllles … Wenn du weggehst, bin ich wieder allein. Kennst du das Gefühl eines einsamen, von aller Welt verlassenen Menschen, der es plötzlich mit der Angst zu tun bekommt? Dem Anschein nach geht alles seinen alten Gang, aber eines schönen Tages kriegst du einen Spritzer Angst ab. Und dieser Spritzer bleibt in deinem Innern sitzen, breitet sich dort immer mehr aus, bis die Angst schließlich dein ganzes Wesen erfasst wie eine Art Blutvergiftung. Dann hast du keine Zuflucht mehr. Aber warum halse ich dir all das auf ! Ich verkaufe meinen Körper. Bedien dich bitte! Damit deine Mühe nicht umsonst gewesen ist!«
    Die Augen auf den Schoß gesenkt, verharrte sie stumm, und ihre weiße Haut blitzte zwischen den spielenden Rockschößen hervor. Ihre Brust hob und senkte sich, und ihr Atem ging hastig, hörbar. Eine schwangere Nacht nahm das Zimmer und die beiden einander fremden Menschen unter Belagerung. Mäuse flitzten zu Tausenden durch diese Nacht, völlig im Geheimen, ohne dass man ihre Stimme hörte, und auch ein rätselhafter Mord wurde in ihr begangen. Fernab, oder sogar ganz in der Nähe, zerriss ein Schuss das Dunkel, gefolgt von einem verzweifelten Aufschrei. Außerdem brodelte ja noch die Liebe, die diese Nacht wie alle anderen Nächte von einem Weltenende zum anderen erfüllte. Doch die

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