Eine Zuflucht aus Rosen
anzuschauen. Eine Frage und etwas, fast wie Sorge, blitzte in seinen Augen auf. „Was ist mit Euch?“
Da sie sich töricht vorkam, wegen ihrer Reaktion auf eine bloße Erinnerung, rang Madelyne sich ein Lächeln ab und wischte ihre Reaktion weg. „Es war nichts als ein nächtlicher Käfer, der mir ins Gesicht flog“, erwiderte sie gespielt sorglos. „Ich wurde überrascht.“
Mal Verne schaute sie einen Moment lang neugierig an, gab dann aber nach und ließ mit seinem forschendem Blick von ihr ab, als er sich umdrehte, um wieder nach dem Sturm zu schauen. „Darf ich Euch nun hinunter zu Eurem Gemach geleiten, Mylady? Der Blitz kommt näher und so hoch oben seid Ihr hier in Gefahr.“
Madelyne hob eine Augenbraue, aber schaute weiterhin hinaus über das Land. „Und was ist mit meinem persönlichen Wachmann geschehen, mit Jube? Ist das nicht seine Aufgabe, Mylord?“
„Ich habe Jube dieser enthoben, als ich ihn fortschickte, um Posten vor der Tür zu Eurem Gemach zu beziehen.“ Die Stimme von Mal Verne grollte leise, dem Donner, der in der Ferne als Echo antwortete, nicht unähnlich. „Solltet Ihr vorgehabt haben, Eurem Leben auf diese Weise ein Ende zu bereiten, würde ich es vorziehen selbst der Zeuge davon zu sein – da Ihr im Namen des Königs unter meiner Obhut seid.“ Seine Betonung der letzten paar Worte entging Madelyne nicht. In dem Moment begriff sie, dass sie ihm glaubte, wenn er behauptete im Auftrag des Königs zu handeln.
Und sie empfand ebenso eine seltsame Enttäuschung, dass es nicht der Wunsch nach ihrer Gesellschaft war, die Mal Vernes Schritte hierher gelenkt hatten, um sie auf der Mauer zu finden. „Wohlan. Also dann, Mylord.“ Rasch drehte sie sich weg, um seinen Arm anzunehmen und entdeckte, dass sein Blick in einer Weise an ihr festhing, der ihr den Atem stocken ließ. Einen Augenblick lang blieb er regungslos und sie erstarrte, verwirrt. Und ihre Glieder mit einer seltsamen Schwere behaftet.
Der Augenblick gerann zu Eis – Donner krachte hinter ihr, Blitze zuckten durch die Wolken, der Geruch von Regen hing in der Luft und der Stein fühlte sich rau und unnachgiebig an, unter ihren Händen –, als er die Hand ausstreckte, um sie zu berühren. Seine Hand hing eine Sekunde lang mitten in der Luft, als würde er zögern, dann legte sie sich warm und schwer auf ihre Haare. Seine Finger streichelten seitlich über ihren Kopf, sprangen über einen dicken Zopf und glitten an den schweren Locken entlang, die unter ihrem Umhang verschwanden.
Madelyne wagte kaum zu atmen. Niemand hatte sie jemals so berührt ... niemals. Ganz sicher kein Mann. Ganz sicher nicht der Mann, dem sie nun eine Geisel war. Das Herz hämmerte ihr wild, aber trotz alledem ... nein, sie empfand nicht wirklich Furcht hier. Warum jagte er ihr keine Angst ein – dieser riesige, barsche Mann aus Stein?
„Ihr habt wundervolles Haar“, murmelte er mit der gleichen, leise grollenden Stimme, die er kurz zuvor benutzt hatte. Er trat auf sie zu und seine Gegenwart umhüllte Madelyne wie ein Umhang. Sie spürte die Mauer hinter sich und schaute hoch in seine Augen, die in der Dunkelheit unergründlich waren. Das Herz donnerte ihr in der Brust und der Mund wurde ihr trocken, als die Schwere seines Blickes Hitze durch sie hindurch fahren ließ.
Und dann war es, als wäre etwas auf einmal zerrissen. Er fuhr zurück, sein Arm ganz schnell wieder an seiner Seite und dieses Drängende war aus einem Blick verschwunden. „Es wäre Sünde gewesen, hättet Ihr es abgeschnitten.“ Seine Worte waren jetzt ganz sachlich dahingesprochen und mit einer scharfen, fast beleidigenden Stimme. „Nun, Mylady, darf ich Euch jetzt nach unten geleiten, wo Ihr vor dem Sturm sicher seid?“
Der Kopf drehte sich ihr und ihr Gesicht war heiß – wegen der glühenden Scham darin. Madelyne konnte nur noch nicken. Sie verschmähte den Arm, den er ihr anbot, drehte ihm den Rücken zu und nachdem sie sich eine Handvoll Rock gegriffen hatte, ging sie die Treppen hinab.
* * *
Dass er in jener Nacht nicht schlief, war gar nicht schlecht, wie Gavin später etwas erleichtert realisieren würde.
Diese erste Nacht wieder in seinen eigenen Gemächern hätte eine Nacht der Entspannung und der Ruhe sein sollen. Zum ersten Mal seit vielen Monden war er nicht genötigt, eine Reiseschlafstatt in einem Raum auszurollen, den er sich mit einer Ansammlung von anderen schnaubenden, schnarchenden, schnäuzenden Männern teilte.
Rosa hatte ihn gebadet und
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