Eine Zuflucht aus Rosen
durcheinander er war, dass Gavin den schweren Blick zweier Augen nicht spürte, die ihm von hinten nachblickten, während Therese ihn in einen dunklen Alkoven zog.
* * *
„Dort! Er ist dort durch das Unterholz!“
Gavin beugte sich tief über Rules Hals, als das Schlachtross durch Büsche und Gestrüpp krachte, hinter den Hunden und einem wilden Eber her, auf den sie gerade Jagd machten. Das Reittier von Thomas war direkt hinter ihm und er konnte den Lärm der anderen hinter ihnen beiden hören.
Während er seine Lanze fester packte, schrie Gavin, „ich bin auf der linken Seite“, und unter dem festen Druck seiner Schenkel bog Rule in jene Richtung ab. Ein niedrig hängender Ast streifte ihn und Gavin duckte sich gerade noch rechtzeitig, so dass er nur noch das Kratzen der Zweige oben an seinem entblößten Haupt spürte. Auf einer Jagd einen Helm zu tragen war unbequem, aber es nicht zu tun machte einen Mann verwundbar, wenn man vom Pferd stürzte. Oder man lief Gefahr sich das Gesicht zu verkratzen.
Gavin erhob sich leicht im Sattel, wie Rule da durch den Wald donnerte – der Hengst genoss die Jagd genauso sehr wie sein Herr. Das bellende Geheul der Meute zerschnitt schrill die Luft und er sah das dunkle Hinterteil des Ebers, als er über einen kleinen Bach hüpfte.
Ein paar der anderen hatten sich von der großen Jagdgruppe abgetrennt, um Gavin zu folgen, während die anderen weiterhin dem Lauf des Ebers folgten. „Dort! Wieder!“, brüllte Lord Farrell, der von hinten herankam.
„Ja!“ Gavin winkte einmal kurz und beugte sich dann gleich tief über den Sattel. Er spürte, wie der Rausch durch ihn hindurch fegte. Selbst, wenn er nicht zum Schuss auf den Eber kam, war der Nervenkitzel des Ritts und der wilden Gefahr genug, um ihn zufrieden zu stimmen.
Ferrells Pferd machte einen Satz über einen kleinen Busch und galoppierte Gavin und Rule jetzt voran – der Reiter des Tieres warf ihm ein breit aufblitzendes Grinsen zu, als sie vorbeizogen. „Erster!“, schrie er nach hinten und ließ Gavin damit wissen, dass er den ersten Schuss setzen würde und dass sein Freund darauf vorbereitet sein sollte, dem einen zweiten nachzusetzen.
„Los!“, schrie Gavin. Er musste Rule nicht in die Flanken treten, um das Pferd noch schneller werden zu lassen. Sie sprangen in halsbrecherischem Tempo über umgefallene Bäume und zwischen kleinen Baumschößlingen hindurch. Grün und Braun raste zu beiden Seiten an ihnen vorbei, lediglich unterbrochen von gelegentlichen Flecken hellen Sonnenlichts, wo dieses sich in unregelmäßigen Mustern von oben in den Wald ergoss.
Eine Jagd war gefährlich – ganz besonders für die an der Spitze – und umso mehr, wenn es ein in die enge getriebenes Wildschwein war, das man jagte. In schnellstem Galopp, immer darauf bedacht den Fallgruben eines Waldes auszuweichen und mit einer Lanze zur gleichen Zeit fest gepackt in der Hand – das machte es genauso riskant wie in einer Schlacht zu kämpfen. Der Eber selber konnte unberechenbar und schnell sein und Gavin hatte mehr als ein tödliches Zustoßen der Keiler erlebt, der Mann, Pferd und Hund gleichermaßen aufschlitzte.
Das Gebell der Meute wurde aufgeregter und er wusste, dass sie den Eber in die Enge getrieben hatten. Er vergewisserte sich nochmals seiner Lanze und dann richtete Gavin sich wieder im Sattel auf, als Rule auf den Lärm und den Geruch der Furcht zupreschte. Gerade als Rule mit geblähten Nüstern und wild schnaubendem Atem, die Gavins eigener Kampflust in nichts nachstanden, über einen umgefallenen Baumstamm setzte, fühlte Gavin, wie sein Bein nachgab. Augenblicklich kippte die Welt um und dann fiel er schon, rollte krachend runter, völlig außer Kontrolle. Ein Schrei drang ihm noch in den durchgeschüttelten Verstand, Schmerz brannte ihm auf einmal an der Schulter und am Arm, auf dem er gelandet war, und ein hohes Quietschen, das in seinen Ohren nur Gefahr bedeuten konnte, machte, dass er im Schock vergeblich versuchte, auch sofort wieder auf die Füße zu kommen.
Schwindlig und außer Atem benutzte Gavin verwirrt den Baumstamm, über den Rule gesetzt hatte, als eine Art Stütze und fand sich Aug in Aug mit einem schwarzen Eber wieder, mit blutunterlaufenen Augen und beachtlichen Hauern. Seine Hand schloss sich wie im Reflex, aber die Lanze war schon längst entschwunden und der Eber ging schon zum Angriff über.
Schreie und das Donnern von Hufen drang ihm noch ins Bewusstsein, während Gavin nach einem
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