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Die Nächte der Aphrodite

Die Nächte der Aphrodite

Titel: Die Nächte der Aphrodite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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Prolog
 
    Henri, der zwölfte Herzog von Mariasse, zog den bodenlangen Zobelmantel enger um sich und unterdrückte ein Gähnen. Es war entschieden zu früh, um überhaupt schon aufgestanden zu sein, geschweige denn, durch die in diesem Jahr ungewöhnlich kühle Dezemberluft zu stolpern.
    Er grub die Hände tiefer in die Manteltaschen. Sein Magen knurrte lauter, als seine Schritte auf den kiesbestreuten Wegen von Belletoile knirschten. André, einer der Gärtner, und Leon, der zweite Kammerdiener, liefen so schnell, dass er Mühe hatte, ihnen zu folgen.
    Der Weg führte zum Großen Seerosenteich, und wie der Herzog mit zusammengekniffenen Augen erkannte, hatte sich am Steg, wo im Sommer die Ruderboote lagen, eine Gruppe Männer versammelt.
    Unbehagen kroch seinen Rücken hinauf und vertrieb Kälte und Hunger. Die Beharrlichkeit, mit der man ihn geweckt, und die Eile, mit der man ihn in seine Kleider gestopft hatte, hätte ihm zu denken geben müssen. Allerdings fing sein Gehirn erst in diesem Moment an, sich in Bewegung zu setzen.
    Als sie den Steg erreichten, wichen die dort versammelten Männer - alles Arbeiter von Belletoile - zurück und zogen ehrfurchtsvoll ihre Hüte und Kappen vom Kopf. Der Herzog bemerkte es nicht, denn seine Aufmerksamkeit galt einer auf den Holzplanken ausgestreckten Frau. Ihr Kleid war tropfnass, ihr Gesicht weiß wie Kerzenwachs, und die blicklosen Augen starrten in den grauen Himmel. Tot, daran gab es keinen Zweifel.
    »Wer ist sie?«, fragte der Herzog und blickte von der Toten auf. Die Männer drehten noch immer ihre Kappen in den Händen.
    »Sie ist Amélie, die Tochter vom alten Bernard«, sagte schließlich einer von ihnen. Sein Atem bildete eine weiße Wolke in der Kälte.
    »Von Bernard, dem ersten Kammerdiener?« Der Herzog konnte nicht verhindern, dass die Bestürzung über diese Mitteilung in seiner Stimme widerhallte. Bernard war nur wenig älter als er selbst und ein wahrer Bär von einem Mann. Seine Familie stand seit Generationen bei den Herzögen von Mariasse in Diensten. Allerdings hatte Bernard in diesem Leben nicht viel Freude erfahren. Alle seine Kinder waren in den ersten Wochen nach der Geburt verstorben. Nur Amélie hatte überlebt. Dafür hatte der Allmächtige in seiner unergründlichen Weisheit beschlossen, ihre Mutter noch aus dem Kindbett zu sich zu holen. Das war vor etwa sechzehn Jahren gewesen.
    Der Gedanke, dem vom Schicksal ohnehin geschlagenen Mann mitteilen zu müssen, dass er jetzt auch seine Tochter verloren hatte, verwandelte den Magen des Herzogs in ein Stück Eis.
    »Ein Unfall?«, fragte er heiser, während er den Blick erneut auf die Tote richtete. Sie trug keinen Mantel, keine Jacke, als wäre sie nur kurz nach draußen gelaufen.
    Schweigen antwortete ihm. Schließlich hockte sich einer der Männer nieder und schob den Bund des Rocks ein Stück nach unten. Gerade so weit, dass man den deutlich gerundeten Leib des Mädchens sehen konnte.
    Der Herzog fluchte unhörbar. So viel zum tragischen Unglücksfall. Das Mädchen war ins Wasser gegangen, weil es die Schande nicht ertragen hatte. Das erklärte auch den fehlenden Mantel. Wie dumm, wie unsagbar dumm. Das Leben wegzuwerfen wegen einer solchen Lappalie. Wäre sie zu ihm gekommen, er hätte eine Lösung gefunden. Und jede Lösung wäre besser gewesen, als jene, die Amélie gewählt hatte.
    »Deckt sie zu und bringt sie ins Haus«, befahl er barsch und wandte sich ab.
    »Euer Gnaden, jemand muss es Bernard sagen.«
    Sie wussten alle, dass er derjenige war. Der Herzog von Mariasse, der allmächtige Herrscher über einen nicht gerade kleinen Landstrich im Languedoc samt dem märchenhaften Belletoile, das einem König würdig gewesen wäre. Und einem König gleich hielt er die Hand schützend über seine Untertanen, über die Bewohner, die Arbeiter, ja sogar die Gäste seines Anwesens. Er trug die Verantwortung für ihr Wohlbefinden, und wenn es einem grausamen Schicksal gefiel, einen aus ihrer Mitte zu reißen, dann war es seine Pflicht, zu handeln. Eine Pflicht, die er nicht delegieren würde. Obwohl er es konnte.
    Er straffte die Schultern, drehte sich aber nicht um. »Ich werde mich darum kümmern. Holt den Pfarrer.«
    Einer der Männer trat einen Schritt vor und neigte demütig den Kopf, ehe er zu sprechen anfing. »Euer Gnaden, der Pfarrer wird nicht kommen. Nicht, wenn sie den Freitod gewählt hat. Dann sind ihr die Sakramente ebenso verwehrt wie ein Platz im Familiengrab.«
    Jetzt drehte sich

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