Eine zweite Chance
nächsten Woche hatte ihr Mann es geschafft, sowohl mit dem Klempner als auch mit Olsson, dem das Feld zum See hinunter gehörte, aneinanderzugeraten. Martin hatte ihn gebeten, die weißen Gärfutterballen zu entfernen, welche die Aussicht vom Hotel aus störten. Als Olsson zur Antwort noch eine Ladung dazugelegt hatte, fassten sie das als Beweis dafür auf, dass man sie nicht akzeptierte. Dass die Leute ihren Landwirtschaftsarbeiten nachkommen mussten, war nichts, worauf sie Rücksicht nahmen. Helena hatte sich darüber beschwert, dass so wenige Ortsbewohner ihr Restaurant besuchten. Aber als Anna-Karin ihr zu einer Speisekarte mit etwas mehr Hausmannskost geraten hatte, hatte sie nicht auf sie hören wollen. Sich den Sitten und Gebräuchen anzupassen, war nichts für Helena. Nein, es wäre einfacher, wenn alle anderen sich ändern würden.
Sie erinnerte sich, dass Helena einmal das Wort »engstirnig« von sich gegeben hatte. Das war ganz am Anfang, als sie gerade eingezogen waren. Die Gemeinde hatte Pläne, die alte Schule, die ein paar Meilen entfernt lag, zu einem Flüchtlingslager umzubauen, und nicht nur Anna-Karin hatte protestiert. Natürlich hatten Helena und Martin zu denen gehört, die sich geweigert hatten, ihre Namen auf die Unterschriftenliste zu setzen. Diese beiden mit ihrer toleranten Einstellung und ihrem angeblichen gesellschaftlichen Engagement. Es war unbegreiflich, dass es möglich war, mit so komplizierten Worten zu heucheln, wie Martin sie in der Diskussion gebraucht hatte. Denn irgendein gesellschaftliches Engagement hatte Anna-Karin in anderen Zusammenhängen nicht gesehen. Alles, was sie kümmerte, war das Hotel. Damals hätten sie sich fast zerstritten. Martin und Helena waren der Meinung gewesen, dass es so viel ungenutzten Platz hier in Norrland gäbe. Anna-Karin hatte Martin blauäugig genannt, und sie selbst hatte zu hören bekommen, sie sei fremdenfeindlich. Was sie so geärgert hatte, war, dass sie die Probleme so blind verleugneten. Alle wussten, dass es Konflikte geben würde, wenn Ausländer mit sonderbaren Gewohnheiten und Verhaltensweisen sich mit den hier geltenden Traditionen vertragen sollten. Es wurden viel zu geringe Forderungen nach Anpassung gestellt. Wenn sie selbst in deren Länder hätte ziehen müssen, hätte sie bestimmt nicht tun und sagen können, was sie wollte. Und was sollten sie hier auf dem Land den ganzen Tag tun? Es fehlte jetzt schon an Arbeitsplätzen, viele Jugendliche mussten die Gegend verlassen. Da war es besser, wenn sie irgendwo landeten, wo es günstigere Voraussetzungen gab. Vielleicht im Haus des Schwedischen Reichstags, bei denen, die von Anfang an die Beschlüsse über die Einwanderung gefasst hatten. Aber das hatte sie nie zu Martin gesagt. Denn natürlich fand auch sie, dass man denen helfen sollte, die in Not waren. Auch wenn es zu viele waren, die ins Land gelassen wurden.
Es war eigentlich beklemmend, wie wenig Helena verstand und es trotzdem schaffte, ihre Ansichten als mustergültig gelten zu lassen. Sie beklagte sich über die Mühe, ein Hotel zu betreiben, trotzdem blieb sie, obwohl es für sie ein Leichtes wäre wegzuziehen. Sie hatte eine Ausbildung und hätte keine Schwierigkeiten, an einem anderen Ort eine Arbeit zu bekommen. Sie wusste nichts darüber, wie es war, sein Leben an ein und demselben Ort zu verbringen und sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Die Traditionen zu pflegen. Mit welchem Recht wurde Anna-Karin engstirnig genannt? Nur, weil sie das bewahren wollte, was sie immer als das Ihre betrachtet hatte? Es gab schon genug aufgezwungene Veränderungen – die kleinen Landwirtschaftsbetriebe, die stillgelegt worden waren, und alle, die hatten wegziehen müssen, oder die großen Supermärkte an den Zufahrten zu den Städten, die kleinere Lebensmittelläden in der Provinz vernichtet hatten. Mittlerweile musste sie mehrere Meilen weit fahren, um einen Liter Milch zu kaufen.
Innerhalb kurzer Zeit war vieles verschwunden. War es dann verwunderlich, wenn die Leute an dem festhalten wollten, was noch geblieben war?
Es war nicht viel, was sie beeinflussen konnte, aber über den kleinen Flecken, der ihr gehörte, hatte sie immer noch eine gewisse Kontrolle.
»Ich habe überlegt, ob wir das Kullmyrstorpet renovieren sollten.« Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Lasses schnellen Blick.
»Warum denn? Hat Verner darum gebeten?«
»Ich dachte, unsere Kinder könnten es bekommen. Es wäre gut für sie, ein eigenes Heim zu haben,
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