Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
Vom Netzwerk:
verschmitzt aus, dreht sich rasch um und schaut auf die Tafel, wie in einem Versuch, das Elektron zu überrumpeln. »Nun, plötzlich ist es ein Partikel. Auf einmal ist es solide und hat zugleich eine exakte Position.« Er nimmt die Kreide, macht einen Ausfall gegen die Tafel und hinterlässt einen kleinen weißen Punkt. »Was haben wir also gelernt? Nun, dass das Elektron sich unterschiedlich verhält, je nachdem, ob wir es betrachten oder nicht. Und erinnert euch jetzt an das, was ich gesagt habe, dass sowohl ihr selbst wie alles, was ihr um euch her seht, aus subatomaren Partikeln besteht. Das sollte also bedeuten, dass wir nichts betrachten können, ohne es zugleich zu verändern. Noch Fragen?«
    Keiner sagt etwas. Sogar Jonny ist still. Anders selbst ist stumm vor Staunen. Weniger über die Quantenphysik als über den Aushilfslehrer. Er trägt dieselben Züge wie sein Vater, benimmt sich aber wie eine völlig andere Person.
    »Wie kann etwas sowohl eine fließende Welle als auch ein solides Partikel sein?«
    Keiner hebt die Hand. Schließlich wird ein Schüler aufs Geratewohl gewählt. Anders weiß, dass der heutige Aushilfslehrer keinen einzigen Namen kennt. Außer möglicherweise den seinen.
    »Ich weiß nicht.«
    »Gut! Denn das weiß auch niemand sonst. Unsere Gehirne scheinen nicht fähig, einen solchen Widerspruch zu begreifen. Jahrhunderte lang haben wir es gelernt, rational und logisch zu denken. Alles muss entweder das eine oder das andere sein. Etwas muss messbar sein und untersucht werden können, um als wirklich zu gelten. Hier ist die Quantenphysik so schwierig geworden, dass man nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen kann. Was uns zum nächsten Mysterium führt.«
    Im Raum könnte man eine Stecknadel fallen hören. Sein Vater besitzt die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse.
    »Wenn die Welle nun ein Partikel geworden ist, tritt die nächste Unmöglichkeit ein. Wir können es auch Sinnlosigkeit nennen, da wir noch nicht verstehen, wie es geschieht. Ohne jede Vorwarnung verschwindet das Partikel nämlich plötzlich und taucht woanders wieder auf, an einem Ort, den niemand hätte vorhersehen können. Und wohlgemerkt, ohne sich je irgendwo dazwischen zu befinden. Das widerspricht unserer grundlegenden Weltauffassung, die zurzeit auf Albert Einsteins Relativitätstheorie basiert, und gemäß dieser kann nichts schneller reisen als das Licht. Die Quantenphysik hat bewiesen, dass subatomare Partikel sich augenblicklich bewegen, ohne je unterwegs zu sein.«
    Anders spürt, dass er lächelt. Plötzlich wird ihm etwas bewusst, was er bisher entweder nicht sehen wollte oder konnte. Zum ersten Mal erkennt er sich selbst in seinem Vater wieder, das, was ihn geprägt hat. Von ihm hat er seine Hartnäckigkeit, seinen Willen, mehr zu lernen, sein Verlangen, neue Ebenen zu erreichen. Sie sitzen zu Hause, jeder für sich in seinem Zimmer, aber unterwegs auf derselben Reise. Zwei Alchemisten auf der Jagd nach der goldenen Formel. Er in der Sphäre der Musik und sein Vater in der der Quantenphysik. Das Klassenzimmer ist die Bühne seines Vaters, der Ort, an dem er brillieren darf. Genau wie Anders mithilfe seiner E-Gitarre auf anderen Bühnen. Der Unterschied ist unerheblich.
    »Niemand weiß, warum die Partikel sich so verhalten oder welcher Prozess es geschehen lässt. Alles deutet darauf hin, dass die Partikel eigene Entschlüsse fassen. Aber um Entschlüsse fassen zu können, müssen sie irgendeine Art von Information bekommen. Und woher kommt diese in dem Fall?« Er verstummt und macht eine Miene, die zeigt, dass er keine Antwort hat. »Außerdem scheinen Partikel mit anderen Partikeln kommunizieren zu können, obwohl sie sich in riesigen Abständen voneinander befinden. Es scheint, als seien alle Partikel auf einer Ebene verbunden, die jenseits von Zeit und Raum liegt. Dass alles im Universum zu einem allumfassenden Muster gehört.«
    Erika hebt die Hand und fragt. »Wo kommt Gott in alldem vor?«
    Sein Vater zuckt die Achseln. »Was glaubst du selbst?«
    Erika denkt eine Weile nach. Anders weiß, dass sie zu einer der vielen freikirchlichen Gemeinden von Huskvarna gehört, hat sich aber nie die Mühe gemacht herauszufinden, zu welcher. »Könnte er es sein, der den Partikeln diese Information gibt?«
    »Vielleicht. Oder sie kommt von uns selbst.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Durch die Art und Weise der Betrachtung, die wir wählen.«
    Für ein paar Sekunden wird es still, bevor Erika fortfährt: »In diesem Fall

Weitere Kostenlose Bücher