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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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hatten wir uns darauf ge einigt, unsere Hochzeit um ein Jahr zu verschieben. Meine Mutter war am Boden zerstört, als sie davon erfuhr, und hatte sich schluchzend in ihrem Zimmer eingeschlossen. Was mein Vater von der Sache hielt, war nicht so leicht zu durchschauen. Ich wartete bis zum Abend nach der Party bei den Godfreys, dann, kurz vor dem Abendessen, ging ich zu ihm ins Arbeitszimmer, wo er sich gerade einen Whisky genehmigte. Winzige Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. »Bist du dir ganz sicher, dass du das tun willst, Liebes?«
    »Ja, ich bin mir ganz sicher«, erwiderte ich. »Es fühlt sich einfach richtig an. Anders kann ich es dir nicht erklären.«
    Er nickte, zündete sich eine Zigarre an und blies den Rauch zum offenen Fenster hin. Seine Augen glänzten. »Ich wünschte, ich hätte deinen Mut.«
    »Papa …«
    »Tja, dann ist das wohl so«, sagte er abrupt, drückte seine Zigarre wieder aus und erstickte damit jedes weitere Gespräch. »Wir wollen nicht zu spät zum Abendessen kommen. Maxine macht heute Croque Monsieur.« An dem Abend hatte mein Vater kaum einen Bissen herunter bekommen.
    Ich strich mein Kleid glatt. Wieso war meins so zerknittert, während Kittys aussah wie frisch gebügelt? Ich runzelte die Stirn. War es ein Fehler gewesen herzukommen? Ich verschränkte die Hände auf meinem Schoß und betrachtete die Landschaft unter uns – meine neue Heimat, zumindest für den Großteil des kommenden Jahres.
    Constance Hildebrand, die Oberschwester, die auf der Insel unsere Vorgesetzte sein würde, ging nach vorn ins Flugzeug und schaute uns junge Schwestern mit strenger Miene an. Sie war eine stämmige Frau mit grauem Haar, das sie unter ihrer Schwesternhaube mit Klammern derart fest zusammengesteckt hatte, dass es aussah, als müsste es wehtun. Falls sie auch eine weiche Seite hatte, hielt sie sie gut unter Verschluss. »Wir werden bald auf der Insel sein«, sagte sie. Es war furchtbar laut im Flugzeug, und obwohl sie beinahe schrie, verstand ich ihre Worte nur, wenn ich zusätzlich von ihren Lippen las. »Lassen Sie sich nicht von der Schönheit der Natur täuschen, diese Insel ist kein Ort des Luxus«, fuhr sie fort. »Sie werden härter arbeiten und mehr schwitzen, als Sie es sich vorstellen können. Die Hitze ist extrem. Die Feuchtigkeit ist erdrückend. Und wenn die Moskitos sich nicht über Sie hermachen, dann werden es die Eingeborenen tun. Diejenigen, die an der Küste leben, sind friedlich, aber begeben Sie sich nie ins Landesinnere. In der Nähe der Basis leben immer noch Kannibalen.«
    Ich warf einen Blick auf die Frauen in meiner Nähe, die Schwester Hildebrand mit ängstlich geweiteten Augen zuhörten. »Ich weiß, dass Sie alle erschöpft sind, aber es wartet bereits Arbeit auf sie.« Schwester Hildebrand räusperte sich. »Sie werden sich Ihre Zimmer zeigen lassen, sich frisch machen und sich um vierzehn Uhr bei mir im Lazarett einfinden. Und noch etwas: Eine Menge Männer werden Sie bei Ihrer Ankunft beobachten, Männer, die seit langer Zeit keine Frau mehr zu Gesicht bekommen haben, außer den dortigen wahine .« Sie schenkte uns einen bedeutungsvollen Blick. »Lassen Sie sich auf keinen Blickkontakt mit den Männern ein. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir von ihnen erwarten, sich wie Gentlemen zu benehmen.«
    Eine Frau in der Reihe vor uns kramte ihr Schminktäschchen heraus, puderte sich die Nase und zog ihre Lippen nach.
    Kitty beugte sich grinsend zu mir herüber. »Auf der Insel sind zweitausend Männer«, flüsterte sie. »Und wir sind fünfundvierzig.«
    Ich sah sie stirnrunzelnd an. Während ich versuchte, Schwester Hildebrands warnende Worte zu verdauen, dachte Kitty an Männer? »Glaubst du, es gibt wirklich Kannibalen auf der Insel?«
    »Ach was«, sagte Kitty. »Die will uns nur Angst ein jagen.«
    Ich versuchte, mich zu beruhigen. »Außerdem«, fügte ich hinzu, »hat Norah in ihren Briefen nichts von Moskitos erwähnt.«
    Kitty nickte. »Meredith Lewis – die Schwester von Jillian, erinnerst du dich? – war auf einer anderen Insel hier in der Nähe stationiert. Sie kam mit den ersten Soldaten hier an, und sie sagt, das mit den Kannibalen ist ein Märchen.«
    Aber anstatt mich zu beschwichtigen, trafen Kittys Worte mich wie Granatsplitter. Meredith Lewis war auf der Highschool im selben Jahrgang wie Gerard gewesen. Ihr Foto befand sich neben seinem im Jahrbuch, und bei der Erinnerung daran sehnte ich mich nach zu Hause. Plötzlich fühlte ich mich zutiefst

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