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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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dass es dir wieder gut geht«, sagte ich.
    Kitty hüpfte aufgeregt in unserem kleinen Zimmer herum und redete davon, wie wir es uns gemütlich einrichten könnten. Aus einem Extra-Betttuch könnten wir uns eine hübsche Tagesdecke machen, meinte sie, und bestimmt könnten wir irgendwo einen kleinen Tisch auftreiben. Und die Wände hätten so eine beruhigende Farbe, meinte sie. Ja , dachte ich, Krankenhausbeige – sehr beruhigend .
    Ich fand das Zimmer feucht und wenig einladend. Die beiden blau-weiß gestreiften Matratzen waren von Flecken übersät. Am Fußende jedes Betts lag ein Stapel fadenscheiniger Laken. Ich sehnte mich nach Maxine, auch wenn ich mir dabei kindisch vorkam. Sie hätte sofort die Betten bezogen und uns eine Tasse Tee aufgebrüht.
    Aber jetzt war ich auf mich selbst gestellt.
    »Anne, kannst du es glauben, dass heute ein Tanzabend stattfindet? Und Colonel Donahue hat gesagt, er will mit mir tanzen!«
    Schon wieder dieser Name. Warum machte mir das so viel aus? Zweifelte ich an seinen guten Absichten? Waren meine Gefühle unangebracht? Ich musste daran denken, was Stella und Liz gesagt hatten. Sie waren neidisch auf Kitty, redete ich mir ein. Es widerstrebte mir anzunehmen, dass ich es ebenfalls war.
    Kitty hatte eine Art, Männer um den kleinen Finger zu wickeln, wie ich es nie können würde. Ich dachte an Gerard und spielte an meinem Verlobungsring. Meine Fin ger waren von der Hitze ganz geschwollen.
    »Ja, schön, dass es einen Tanzabend gibt«, sagte ich, bemüht, begeistert zu klingen.
    »Ich ziehe mein gelbes Kleid an«, verkündete Kitty und öffnete ihre Reisetasche. Gelb stand ihr gut, und in dem Kleid, das sie jetzt hochhielt, würde sie umwerfend aussehen. Ich hatte sie schon mehrmals darin gesehen – zuletzt in den Armen von Mr. Gelfman. Komisch, es hatte ihr das Herz gebrochen, sich von ihm zu trennen, als wir von Seattle aufgebrochen waren, aber die Insel schien ihre Erinnerung ausgelöscht zu haben. Ich schwor mir, dass mir das nicht passieren würde.
    Kitty trat vor den Spiegel und hielt sich das Kleid an. Sie versuchte, die Knitterfalten zu glätten, die die feuchte Luft hier sowieso bald verschwinden lassen würde. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Vielleicht sollte ich doch lieber das blaue anziehen, das wir letztes Frühjahr bei Frederick & Nelson gekauft haben. Das ist ein bisschen zurückhaltender.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich und dachte an Stella und Liz. Ich war entschlossen zu beweisen – zumindest mir selbst –, dass ich nicht neidisch war, dass ich Kitty eine gute Freundin war. Deswegen war ich schließlich mit ihr hierhergekommen. »Zieh das gelbe an. Darin siehst du fantastisch aus.«
    Kitty würde die Schönste des Abends sein. Sie würde sich königlich amüsieren. Und ich würde mich für sie freuen.
    Im Lazarett, einem weißen Bau mit einem aufgemalten roten Kreuz über dem Eingang, roch es nach Seife und Desinfektionsmitteln. Kitty und ich trafen am Nachmittag als Letzte ein und schoben uns zwischen die anderen Frauen, denen Schwester Hildebrand gerade am Arm einer Schwester vorführte, wie man in den Tropen eine Wunde verband. Ein Verband, erklärte sie, müsse gegen den Uhrzeigersinn gewickelt werden, nicht zu fest, aber fest genug, um die Blutung zu stoppen. »Die Wunde muss atmen«, sagte sie. »Zu viel oder zu wenig Luft, und sie infiziert sich.« Sie warf einen Blick aus dem Fenster, durch das man die Hügel in der Ferne sehen konnte. »Vor allem hier an diesem gottverlassenen Ort.«
    Den ganzen Nachmittag über wickelten wir schmale Streifen Leinen zu kleinen, festen Rollen auf und verstauten sie in den Kisten, die das Flugzeug mitgebracht hatte. Ich legte die riesigen Bahnen aus grauem Leinen auf den Tisch und bemühte mich, nicht an die Wunden zu denken, die wir damit einmal verbinden würden. Kitty fasste am einen Ende an, ich am anderen, und gemeinsam breiteten wir den Stoff aus. Nach einer Stunde taten mir die Finger weh.
    Wir arbeiteten schweigend, hauptsächlich aus Angst vor Schwester Hildebrand, denn uns allen brannte eine Menge auf den Nägeln. Als sie in die Offiziersmesse ging, um etwas zu erledigen, fanden wir unsere Sprache wieder.
    »Schwester Hildebrand ist furchtbar streng«, bemerkte eine Frau zu unserer Linken. Sie war ein paar Jahre älter als Kitty und ich, hatte strohblondes Haar, viele Sommer sprossen und freundliche Augen. Wenn sie lächelte, kamen ihre schiefen Zähne zum Vorschein, die sie vergeblich hinter

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