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Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Titel: Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi , Stephanie Gleißner
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dabei.«
    »Nein, ich war zu müde, hab verschlafen und bin dann später nachgekommen.«
    »Also mir würde da schon was Besseres einfallen, als am Sonntag früh Kröten über die Straße zu tragen.«
    Diese Selbstgefälligkeit brachte mich immer wieder auf, selbst jetzt, obwohl ich zum Umfallen müde war.
    »Schön für dich«, sagte ich und stieg über den Wäschekorb die Treppe hoch.
    »Du schläfst in Zukunft wieder hier, mir passt das nicht, dass du immer bei den Lugers bist«, rief sie mir hinterher.
    Als ich mich am Montagmorgen durch den Zug kämpfte, herrschte eine andere Unruhe, eine, die sich steigerte, je weiter ich voranschritt. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein, vielleicht waren es das schlechte Gewissen und die Angst vor der Begegnung mit Johanna, die die üblichen Tumulte und das Geplärr bedrohlicher erscheinen ließen. Die Schiebetür eines Abteils am Ende des Zugs war mit Schulranzen verbarrikadiert, Kinder turnten über die Sitze, Jugendliche hangelten sich am Gestell der Gepäckablage entlang, es war nicht klar, wo die Ausgelassenheit aufhörte – man schlug mit Heften undLeitzordnern aufeinander ein und lachte dabei – und das Mordio anfing. Dass das Geschrei und die Übergriffe von einem Zentrum, das sich am Ende des Abteils befinden musste, ausstrahlten, spürte ich jedoch sofort, und ich wusste auch, noch ehe ich mich zu ihr durchgekämpft hatte, dass Johanna dieses Zentrum war. Sie saß mit kahlgeschorenem Kopf aufrecht wie unter einem Glassturz, der sie von Attacken und Beschimpfungen abschirmte. Sie drückte ihre Plastiktüte mit einer Hand auf den Sitz neben sich, um ihn mir freizuhalten. Mit jeder Zustandsänderung, bei jeder noch so kleinen Bewegung brach ein neuer Schwall Beschimpfungen über uns herein. An die Erklärung und Entschuldigung, die ich mir zurechtgelegt hatte, war jetzt nicht zu denken. Ich fixierte einen Punkt vor meinen Füßen. Manchmal schielte ich zu Johanna rüber, sie schaute aus dem Fenster. Wie an jenem Morgen, als ich in ihrem Schoß geschlafen hatte, schien sie weit weg zu sein. Ich kannte diesen verträumten Ausdruck in ihrem Gesicht. Jetzt, ohne Haar, das die Hälfte ihres Profils und den Hals bedeckt hatte, wirkte sie preisgegeben und schutzbedürftig, obwohl sie sich noch einen Tick aufrechter und gespannter als gewöhnlich hielt.
    Wenn das Gespräch auf Johannas Glatze kam, hatten die Alten auf den Bänken, die Frauen vom Mütterverein, die Lehrer und alle anderen Hinterlandbewohner, die sich eine Meinung erlaubten, miteinem einzigen Satz recht. In der Regel war es der Einleitungssatz, der für den Anlass gravierender Veränderungen in der äußeren Erscheinung bereitlag, den man dann nur noch herausholen musste, ohne eigens noch einmal darüber nachzudenken. »Ich habe sie erst gar nicht erkannt«, sagten sie. Sie hatten Johanna wirklich nicht erkannt. Die Hinterlandfrauen empörten sich darüber, wie man sich freiwillig so entstellen konnte. Dabei sei Johanna eigentlich doch eine ganz Hübsche. Die Alten auf den Bänken wollten mit der Empörung der Frauen nichts zu tun haben. Sie reagierten demonstrativ gelassen und analytisch: Kein Wunder, bei der Mutter sei so eine Aufsässigkeit, wie Johanna sie schon seit längerem zeige, vorprogrammiert, sagten sie und fügten nach einer gedankenvollen Pause hinzu, wenn man es recht bedenke, müsse man sogar Mitleid haben mit ihr, der Vater nie daheim und die Mutter … – bei der Mutter blendeten ihre Gespräche dann immer sanft in ein anderes Thema über.
    Ich aber erkannte Johanna. Ihr geschorener Schädel irritierte mich nicht. Sie sah damit endlich richtig aus. Ihr langes Haar hatte sie sich immer aus der Stirn streichen müssen, was die für Fehleinschätzungen anfälligen jungen Männer unserer Samstagnächte »süß« gefunden hatten. Dieses Missverständnis war nun aus der Welt geschafft. Johanna schritt einher wie eine Kriegerin. Die Attacken und Beschimpfungender Hinterlandjugend perlten an ihr ab. Ich versuchte ihr zu erklären, warum ich ihm hatte folgen müssen, dass ich nicht anders gekonnt hatte und auch jetzt nicht verstand, was da vor sich gegangen war. Ob sie denn nicht gemerkt habe, wie sehr ich in ihn verliebt gewesen war die ganze Zeit?, fragte ich sie. Sie lächelte nur. Dass ich selbst nicht mehr verstand, was ich mir da eingebildet hatte, dass er eine große Enttäuschung war, versuchte ich zu erklären. Schließlich gab ich es auf.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte

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