Einen Stein für Danny Fisher: Roman
Marcy; ein Sparbuch der Zehn-Cent-Sparkasse, verborgen in irgendeinem Safe liegen Papiere mit meiner Unterschrift, die ich mit einer allmählich verblassenden Tinte geschrieben; eine Versicherungsnummer, vergraben in Bergen von statistischen und Verwaltungsakten; es ist die Nummer: 052-09-8424.
All diese Dinge besaß ich einst, mein Sohn. Deshalb und aus vielen anderen Gründen wird mein Name nie vergessen werden. Denn diese Aufzeichnungen allein beweisen meine Unsterblichkeit. Ich war kein berühmter Mann, dessen Lebensgeschichte die Kinder in der Schule lernen. Keine Glocken läuten für mich, keine Flaggen senken sich auf ihrem Mast.
Denn, mein Sohn, ich war ein alltäglicher Mensch, einer von vielen, mit alltäglichen Hoffnungen, alltäglichen Träumen und alltäglichen Befürchtungen.
Auch ich habe von Reichtum und Luxus, von Gesundheit und Kraft geträumt. Auch ich habe Armut und Hunger, Krieg und Gebrechlichkeit gefürchtet.
Ich war der Nachbar, der im Haus nebenan wohnt. Der Mann, der auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn steht; der ein Streichholz an eine Zigarette hält; der mit seinem Hund spazierengeht.
Ich war der Soldat, den die Angst schüttelt; der Mann, der mit dem Schiedsrichter bei einem Ballspiel Streit bekommt; der Staatsbürger, der in der Verborgenheit der Wahlzelle höchst befriedigt einen wertlosen Kandidaten wählt.
Ich war der Mann, der tausendfach gelebt hat und tausendfach gestorben ist, in den sechstausend Jahren, die die Menschen aufgezeichnet haben. Ich war der Mann, der mit Noah in der Arche fuhr, ich gehörte der Menge an, die das Meer durchschritt, das Moses teilte, ich war der Mann, der neben Christus am Kreuze hing.
Ich war der Dutzendmensch, den nie ein Lied besingt, den keine Geschichte rühmt, von dem keine Legende berichtet.
Doch ich bin der Mann, der in kommenden Tausenden von Jahren ewig weiterleben wird. Denn ich bin der Mann, der den geringen Gewinn ernten und für die vielen Irrtümer bezahlen wird, die die Großen der Welt begehen.
Diese Großen sind aber nur meine Diener, denn meine Zahl ist Legion. Und die Großen liegen einsam in ihren Grüften, unter mächtigen Monumenten, denn man erinnert sich ihrer nicht um ihrer selbst willen, sondern ihrer Taten wegen.
Alle jedoch, die um ihre Lieben weinen, weinen auch um mich. Und immer, wenn jemand trauert, trauert er auch um mich.
Du öffnest langsam deine Augen und siehst verwundert auf die sechs Steine auf meinem Grab. Jetzt weißt du alles, mein Sohn. So war dein Vater. Die Arme deiner Mutter umfassen dich, doch du starrst noch immer auf die Steine. Deine Finger deuten auf die Worte, die hinter ihnen in das Grabmal eingemeißelt sind. Ihre Lippen bewegen sich leise, während sie dir die Worte vorliest.
Höre aufmerksam zu, mein Sohn. Sind sie nicht wahr?
In den Herzen jener weiterzuleben, die wir hinterlassen, heißt nicht sterben.
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