Einen Stein für Danny Fisher: Roman
einem kleinen Stein ab. Du hältst ihn behutsam in der Hand, und gleich den anderen trittst du allein vor das Grabmal.
Obwohl mich Kälte und Schnee des Winters und Sonne und Regen des Sommers umgeben haben, seitdem ihr das letzte Mal gemeinsam hier wart, sind eure Gedanken unverändert geblieben, so wie sie damals waren. Ich bin noch immer lebendig in eurer Erinnerung — mit einer einzigen Ausnahme.
Für meine Mutter bin ich das ängstliche Kind geblieben, das sich dicht an ihren Busen drückt und in ihren Armen Schutz sucht.
Für meinen Vater bin ich der schwierige Sohn. Seine Liebe war schwer zu erringen, sie war jedoch ebenso stark wie die meine für ihn.
Für meine Schwester bin ich der strahlende jüngere Bruder, dessen Verwegenheit ihre Liebe und gleichzeitig ihre Besorgnis wachrief.
Für meinen Schwager bin ich der Freund, mit dem er die Hoffnung auf den ersehnten Ruhm geteilt hat.
Für meine Frau bin ich der Geliebte, dem sie sich in leidenschaftlicher Liebe hingab und in einem Kind vereinte.
Für meinen Sohn — was ich für meinen Sohn bin, weiß ich nicht, denn er hat mich nicht gekannt.
Jetzt liegen fünf Steine auf meinem Grab, und noch immer stehst du, mein Sohn, nachdenklich davor. Für alle anderen bin ich eine Realität, nicht aber für dich. Warum zwingt man dich dann, hier zu stehen und um jemanden zu trauern, den du niemals kanntest?
In deinem Herzen ist eine winzige harte Stelle - der Unwillen eines Kindes. Denn ich habe dich enttäuscht. Du konntest niemals wie andere Kinder prahlen: "Mein Daddy ist der Stärkste oder der Klügste, der Gütigste oder der Liebevollste." Du hast mit dem stetig wachsenden Gefühl der Enttäuschung in bitterem Schweigen zuhören müssen, während andere diese Worte sprachen.
Grolle mir deswegen nicht, mein Sohn, und verurteile mich nicht. Halte dein Urteil zurück, wenn du es vermagst, und höre die Geschichte deines Vaters. Ich war ein Mensch, daher sündig und schwach. Obwohl ich zu Lebzeiten viele Fehler beging und viele Menschen enttäuschte, möchte ich dich nicht wissentlich enttäuschen. Höre mich an, o mein Sohn, ich bitte dich, höre mich an und lerne von deinem Vater.
Lasse dich jetzt von mir zum Anfang zurückführen, zum wirklichen Anfang. Denn wir, die wir aus einem Fleisch, aus einem Blut und einem Herzen sind, werden uns jetzt in dieser Erinnerung vereinen.
Umzugstag l. Juni 1925
Ich gehe zurück bis zum Beginn meiner Erinnerungen, und das ist mein achter Geburtstag. Ich sitze in dem Führerhaus eines Möbelwagens und halte an allen Straßenecken begierig nach den Straßentafeln Ausschau. Als sich der riesige Möbelwagen einer Ecke näherte, verlangsamte er seine Fahrt. "Ist's in diesem Häuserblock?" fragte der Fahrer den Neger, der neben mir saß.
Der riesige Neger wandte sich an mich. "Sein das der Häuserblock, Junge?" fragte er, und seine großen weißen Zähne blitzten in seinem Gesicht.
Ich war so aufgeregt, dass ich kaum zu sprechen vermochte. "Das ist er", piepste ich und reckte mich auf, um auf die Straße sehen zu können. Hier ist es. Ich erkannte die Häuser wieder, sie sahen eins wie das andere aus, und vor jedem stand ein schlanker junger Baum. Alles sah genauso aus wie an dem Tag, an dem ich mit Papa und Mamma hierhergekommen war, an dem Tag, an dem sie das Haus für mich, zu meinem Geburtstag kauften.
Alle hatten damals gelächelt, selbst der Häusermakler, der dem Papa das Haus verkaufte. Aber Papa hatte nicht gescherzt. Er hatte es im Ernst gemeint. Denn er sagte dem Häusermakler, das Haus müsse am 1. Juni fertig sein, weil ich an diesem Tag meinen Geburtstag habe und das Haus mein Geburtstagsgeschenk sein solle.
Und es stand am 1. Juni tatsächlich zum Einzug bereit, genauso wie es Papa gewünscht hatte. Und heute war der 1. Juni, wir feierten meinen achten Geburtstag, und wir zogen ein.
Der Wagen fuhr langsam um den Häuserblock, und ich hörte das leichte Knirschen der Pneus auf dem Kiesweg, als der Möbelwagen die gepflasterte Straße verließ. Meine neue Straße war noch nicht gepflastert. Sie war erst mit weißgrauem Kies bedeckt. Die Pneus rissen den Kies mit und schleuderten die Steinchen prasselnd gegen die Kotflügel.
Ich wetzte in dem Führerhaus ungeduldig umher. "Das ist es!" rief ich und zeigte hinaus. "Das ist mein Haus! Das letzte im Block. Dort, dort, das einzige freistehende Haus."
Der Möbelwagen rollte langsam vor das Haus und blieb stehen. Auf dem Fahrweg sah ich bereits unseren Wagen
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