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Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Titel: Einen Stein für Danny Fisher: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Robbins
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Flatbush. Die Bauplätze waren früher nichts als Schutthalden gewesen, aber die Stadtverwaltung hatte sie eingeebnet, und um die Ecke herum entstanden noch weitere Häuserreihen, die alle genauso aussahen wie die unsre. Wenn ich mich weit genug aus dem Fenster hinausbeugte, konnte ich sie sogar sehen.
    Ich trat in die Mitte des Zimmers zurück. Langsam drehte ich mich im Kreise und betrachtete jede Wand einzeln. "Mein Zimmer ... es ist mein Zimmer", sagte ich immer wieder.
    Ich spürte, wie mir ein Klumpen in die Kehle stieg, es war ein merkwürdiges Gefühl. So wie damals, als ich vor Großpapas Sarg stand, mich fest an die Hand von Papa klammerte und in das stille weiße Antlitz sah, mit dem kleinen schwarzen Yamalka auf dem Kopf, das sich so Furcht einflößend von dem schmucklosen weißen Laken abhob. Papa hatte sehr leise gesprochen. "Sieh ihn dir gut an, Danny", hatte er gesagt, es war aber eher so, als spräche er mit sich selbst. "Das ist das Ende, das alle Menschen erwartet, und es ist das letzte Mal, dass wir sein Gesicht sehen können." Damit beugte er sich nieder und küsste das stille Gesicht im Sarg. Ich küsste es gleichfalls. Großpapas Lippen waren eiskalt und bewegten sich nicht, als ich sie mit den meinen berührte. Etwas von ihrer Eiseskälte rann mir durch alle Glieder.
    Ein Mann mit einer Schere in der Hand stand neben dem Sarg. Papa öffnete seinen Rock und der Mann schnitt ein Stück seiner Krawatte ab. Dann sah der Mann fragend auf mich. Papa nickte mit dem Kopf und sagte auf jiddisch: "Er ist von seinem Blut." Hierauf schnitt der Mann auch ein Stück von meiner Krawatte ab, und ich spürte, wie mir der Klumpen in die Kehle stieg. Es war eine ganz neue Krawatte, ich trug sie zum ersten mal. Und jetzt konnte ich sie nie mehr tragen. Ich sah zu Papa empor. Er blickte wieder in den Sarg und seine Lippen bewegten sich. Ich bemühte mich zu verstehen, was er sagte, es gelang mir aber nicht. Er ließ meine Hand los und ich lief zu Mamma hinüber und der Klumpen saß mir noch immer in der Kehle.
    Und dasselbe Gefühl verspürte ich jetzt wieder.
    Plötzlich warf ich mich zu Boden und presste meine Wange an das Holz. Der Boden war kalt, und der Geruch des frisch aufgetragenen Schellacks stieg mir in die Nase. Meine Augen begannen zu brennen. Ich schloss sie und lag einige Minuten ganz still. Dann drehte ich mich wieder um und presste meine Lippen auf den kalten Boden. "Ich hab dich lieb, mein Haus", flüsterte ich. "Du bist das schönste Haus auf der ganzen weiten Welt, und du gehörst mir, und ich hab dich lieb!"
    "Danny, was treibst du denn da auf dem Fußboden?"
    Ich sprang rasch auf und sah zur Tür. Es war Miriam. Sie hatte, genauso wie Mamma, ein Tuch um den Kopf gebunden. "Nix", antwortete ich verlegen.
    Sie sah mich komisch an. Ich merkte, dass sie nicht drauf kommen konnte, was ich da getan hatte. "Mamma sagt, du sollst runterkommen und schaun, dass du weiterkommst", sagte sie im Kommandoton. "Die Leute sind so weit, dass sie die Möbel heraufbringen können."
    Ich folgte ihr die Treppe hinunter. Die Unberührtheit des Hauses begann schon zu schwinden. Auf der Treppe waren schon Stellen, an denen unsre Füße die Farbe abgewetzt hatten. Im Wohnzimmer waren die Möbel bereits aufgestellt, und der Teppich, den man auf einen hohen Bambusstock aufgerollt hatte, stand in einer Ecke bereit, um sofort aufgelegt zu werden, sowie die Männer ihre Arbeit beendet hatten.
    Mamma stand in der Mitte des Zimmers. Sie hatte Schmutzflecken im Gesicht. "Kann ich dir nicht helfen, Mamma?" fragte ich.
    Hinter mir hörte ich Mimis höhnisches Schnauben. Sie konnte Jungen nicht ausstehen und war überzeugt, daß sie zu nichts nützlich waren. Das machte mich wütend. "Kann ich dir nicht helfen, Mamma?" wiederholte ich.
    Mamma lächelte mir liebevoll zu. Wenn sie das tat, wurde ihr Gesicht immer ganz weich. Ich war glücklich, wenn ich sie so sah. Sie legte mir die Hand auf den Kopf und zupfte mich scherzhaft an den Haaren. "Nein, Blondie", antwortete sie. "Lauf doch hinaus und spiel ein bißchen. Ich werde dich rufen, wenn ich dich brauche."
    Ich erwiderte ihr Lächeln. Ich wußte, daß sie glücklich und zufrieden war, wenn sie Blondie zu mir sagte. Ich wußte aber auch, daß Mimi immer wütend darüber war. Denn ich war der einzige in der ganzen Familie, der blonde Haare hatte, alle anderen waren dunkel. Papa neckte Mamma manchmal deshalb und sie wurde regelmäßig ärgerlich. Ich weiß aber nicht warum.
    Ich

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