Eines Abends in Paris
auf das Kassenhäuschen, das bis oben hin vollgestopft war mit Getränkekästen, Dosen und Pappgeschirr. Auf der Holzablage, wo normalerweise die Kasse stand, zischte ein Kaffeeautomat. »Ich kann nur hoffen, dass das alles wieder in Ordnung kommt, wenn die hier fertig sind, Monsieur Bonnard. Meine Güte, was für ein Durcheinander«, wiederholte sie.
Ich nickte und seufzte ergeben. Ich hoffte auch, dass mein kleines Kino unbeschadet aus diesem Hurrikan hervorging.
»Haben Sie Madame Avril schon gesehen?«, fragte Madame Clément jetzt. »Eine reizende Person – sie ist gerade in Ihrem Büro, in der Maske. « Sie sagte es mit gewichtiger Miene. »Und Howard Galloway ist im Vorführraum und macht sich frisch. Er war nicht einverstanden mit seinem Part, er will mehr Text.« Sie zuckte die Achseln. »Ich habe ihm eben einen café crème gebracht, er trinkt ihn mit drei Stück Zucker.«
Madame Cléments Augen leuchteten, und ich fragte mich, wie man sich im Vorführraum frisch machen konnte. Ich wollte es lieber nicht wissen und starrte auf den Caterer, der in seiner langen weißen Schürze an uns vorbeizog und auf beiden Händen Tabletts mit Sandwiches und Fingerfood zu einem Klapptisch balancierte, der in einer Ecke des Foyers aufgebaut war. Ein großer, beinahe kahlköpfiger Mann, der etwas auf einem Block notierte, bahnte sich mit traumwandlerischer Sicherheit seinen Weg durch Kabelrollen und Verstärkerkästen, um zu dem Raum zu gelangen, der bis vor kurzem noch mein Büro gewesen war. Jetzt war es die Garderobe. Vorsichtig warf ich einen Blick hinein.
An einem Kleiderständer drängten sich Kleider, Jacken und Schals auf Metallbügeln. Dahinter entdeckte ich einen Wäschekorb, in dem Ordner und Bürounterlagen sich kreuz und quer stapelten. Mein Schreibtisch war leer – das heißt, er war leergefegt worden. Jetzt häuften sich dort Hunderte von Tiegeln und Töpfchen, Pinsel und Quasten, Bürsten und Sprays, und über allem thronte eine Dekopuppe aus Styropor, auf der ein Haarteil steckte. Über dem Schreibtisch hatte man einen riesigen Spiegel aufgehängt, und ich überlegte einen Moment, wo wohl die beiden hübschen Aquarelle vom Cap d’Antibes hingekommen waren.
Solène saß, mit dem Rücken zur Tür und umringt von zwei Damen, die geschäftig an ihren Haaren herumkämmten, vor dem Spiegel. Sie bemerkte mich nicht. Niemand schien mich zu bemerken, wenn man einmal von Madame Clément absah, die offenbar bereits ein Teil der Crew geworden war.
Ich stolperte in den Kinosaal, in dem tropische Temperaturen herrschten, und schloss geblendet die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich einen großen bärtigen Mann, der hinter einer Kamera stand und Probeaufnahmen mit dem Beleuchtungsdouble machte.
»Mehr nach rechts, Jasmin! Ja, so ist es perfekt!« Der Bärtige winkte und warf einen prüfenden Blick durch den Sucher.
Ein Schraubenzieher landete vor meinen Füßen. Ich sprang zur Seite und schaute nach oben. Auf einer Leiter, in schwindelerregender Höhe, standen die zwei Männer, die eben den riesigen Kronleuchter quer durch das Foyer geschleppt hatten, und waren dabei, meine alte Deckenbeleuchtung abzumontieren. Offenbar wollte man den Nostalgiefaktor des Cinéma Paradis um ein Vielfaches erhöhen.
Ich blickte auf die ersten beiden Stuhlreihen, deren Sessel jetzt durch Kameras und riesige Lampen ersetzt waren.
Dort stand ein kleiner Mann mit dunkler Brille und redete eindringlich auf einen gutaussehenden Herrn mit dunkelblondem Haar, aristokratischer Miene und verdrossenem Gesicht ein, der sich später als Howard Galloway entpuppte. Der kleine Mann winkte freundlich, als er mich sah.
Es war Allan Wood, mein neuer Freund und der Mann, der dieses ganze gigantische Chaos zusammenhielt.
»Ah, Allän! Kommen Sie, kommen Sie!«, rief er und er strahlte übers ganze Gesicht. »Na, ist es nicht einfach großartig, was wir aus Ihrem kleinen Filmpalast gemacht haben?« Er wies an die Decke, wo jetzt der überdimensionale Kronleuchter gefährlich schwankte. »Jetzt sieht es richtig alt aus, finden Sie nicht?«
Drei Stunden später fuhr sich der Mann, der alles zusammenhielt, nervös mit dem Taschentuch über die Stirn. Das Strahlen hatte sein Gesicht verlassen. Seine Geduld schien erschöpft. Bei Dreharbeiten gab es gute und schlechte Tage, hatte ich mir sagen lassen. Und dann gab es noch die sehr schlechten Tage.
Dies war offenbar ein sehr schlechter Tag.
»So, das Ganze noch mal. Konzentriert euch. Drei,
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