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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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ist.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich.
    »Genau das, was ich sage.« Allan Wood nahm seine Brille ab und fing umständlich an, diese zu putzen. »Ihre Mélanie könnte meine Tochter sein.«
    »So rein theoretisch, meinen Sie?« Ich hatte keine Ahnung, was er mit seinen Ausführungen bezweckte. Offenbar hatte ihn eine Art Alterssentimentalität ergriffen im Sinne von »Oh-mein-Gott-sie-könnte-ja-meine-Tochter-sein«. Doch Allan Wood schüttelte den Kopf.
    »Nein, ganz im Ernst. I mean it! «
    Ich schaute ihn ungläubig an. »Soll das ein Witz sein?«
    Er setzte die Brille wieder auf. »Kein Witz.« Gedankenverloren lehnte er sich im Sofa zurück und ließ seinen Arm über die Lehne baumeln.
    »Meine Tochter müsste jetzt fünfundzwanzig Jahre alt sein. So viel ich weiß, lebt sie in Paris. Als ich neulich sagte, sie hätte mir nie verziehen, dass ich ihre Mutter verließ, habe ich etwas untertrieben. Sie hasst mich. Ich wollte sie einmal besuchen – auf diesem Gestüt an der Loire, das ihre pferdebesessene Mutter betrieb, da ist sie einfach abgehauen. Sie war vier Wochen verschwunden. Unglaublich, oder? Damals war sie sechzehn. Danach haben wir uns nur noch einmal gesehen – hier in dieser Bar. Aber der Abend endete in einer Katastrophe.« Er seufzte ergeben. »Sie kommt ganz nach Hélène – genauso stur und selbstgerecht, und genauso hübsch! Diese großen braunen Augen!«
    Allan Wood verlor sich in seinen Erinnerungen, und ich fragte mich allmählich, ob die ganzen Daiquiris den schmächtigen Mann nicht doch ein wenig überforderten.
    »Ja … und?«, unterbrach ich ihn ein wenig ungeduldig. »Was hat das alles mit mir zu tun? Und mit Mélanie?«
    »Oh«, sagte er und sah mich überrascht an. »Hatte ich das nicht gesagt? Verzeihen Sie, ich bin selbst schon ganz durcheinander. Sie heißt Mélanie. Wir nannten sie alle immer nur Méla – deswegen bin nicht gleich darauf gekommen. Aber der richtige Name meiner Tochter ist Mélanie. Mélanie Bécassart.«
    Es wurde ein langer Abend. Denn nun erzählte mir Allan Wood eine Geschichte aus seiner Vergangenheit, die – wie sich herausstellen sollte – durchaus mit meiner Geschichte zu tun hatte.
    Als Mann in den besten Jahren – ich schätze, er meinte damit, dass er um die vierzig gewesen war – und nach einer gescheiterten ersten Ehe, hatte er während eines Urlaubs in der Normandie Hélène Bécassart kennengelernt. Die wilde Hélène mit ihren wehenden kastanienbraunen Locken war ihm sozusagen vor die Füße gefallen, als ihr Schimmel an einem der breiten Sandstrände der Côte de Nacre durchging und seine Reiterin abwarf.
    Aus der leidenschaftlichen, aber schwierigen Beziehung, die nun folgen sollte, war ein kleines Mädchen hervorgegangen. Mélanie – von allen zärtlich Méla genannt – war ein scheues Geschöpf mit einer überbordenden Phantasie. Ihre eigenwillige Mutter, mit neununddreißig nicht mehr ganz jung für ein erstes Kind, stammte aus einer alten Adelsfamilie mit Schlösschen an der Loire. Sie liebte die Natur über alles, war eine passionierte Reiterin und hatte den Stadtmenschen Allan Wood zunächst ungemein fasziniert.
    Doch ihr zunehmender Starrsinn, ihre tiefgehenden Vorurteile den Amerikanern gegenüber, ihre Weigerung, einen Fuß in die Großstadt zu setzen, und die Ausritte, die immer länger wurden, hatten den sensiblen Mann schließlich in die Flucht geschlagen.
    »Ich meine, es war wirklich nicht leicht für mich, Allän. Ich bin völlig ohne Pferde aufgewachsen und ich kann nicht sehr viel anfangen mit diesen riesigen Viechern mit diesen großen gelben Zähnen. Sie machen mir Angst.« Allan Wood schüttelte sich leicht, als er es sagte. »Aber am Ende ging es nur noch um die Pferde. Das fing schon beim Frühstück an – ich meine, man konnte nicht mal seine Zeitung lesen, ohne dass sie einem die Ohren vollquatschte von irgendwelchen Arabern, die sie gern als Deckhengst gehabt hätte für ihre Stute. Die hieß Fleur und war ein Biest. Sie mochte mich von Anfang an nicht – ich hab das gleich an ihrem verschlagenen Blick gesehen. Sie war sehr eifersuchtig auf mir. Als ich einmal hinter ihr stand, hat sie mir geschlagen mit ihrer harten Hufe. Mitten hier rein.« Allan Wood hatte die Hände auf seinen Schoß gelegt und schmerzlich das Gesicht verzogen.
    Die Zeichen standen nicht gut für Hélène und Allan, und so kam es, wie es kommen musste. Das Paar lebte sich im wahrsten Sinne des Wortes immer weiter auseinander. Und am

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