Eines Abends in Paris
Verstimmung größeren Ausmaßes gekommen. Die Katastrophe war perfekt. Carl war sehr zufrieden, Solène war äußerst wütend und der eifersüchtige Rancher, der aus dem fernen Texas eingehend die gesamte französische Regenbogenpresse studierte, um sich ein Bild davon zu machen, was in Paris im Umfeld der Dreharbeiten alles so passierte, war zutiefst beunruhigt.
Auch Solènes Beteuerungen, es sei nur der Zimmerkellner gewesen, der nachts um vier noch ein Club-Sandwich in die Suite gebracht hätte, konnten den etwas schwerfälligen, aber nicht dummen Mann verständlicherweise nicht überzeugen.
»Ich kann nur hoffen, dass Ted sich wieder beruhigt. Er ist immer so impulsiv, wissen Sie«, erklärte mir Solène mit einem selbstvergessenen Lächeln. Sie beugte sich vor und sah mich an. Und wie sie so da saß mit ihren großen blauen Augen und dem himmelblauen Seidenkleid, dessen mit Tüll unterfütterter Rock sich um ihre schlanken Beine bauschte, wirkte sie so unschuldig wie eine Ophelia, der man großes Unrecht angetan hatte. Schließlich stieß sie einen kleinen Seufzer aus.
»Ach, all diese eifersüchtigen Männer um mich herum! Das ist wirklich anstrengend, Alain, das können Sie mir glauben.«
Solène ließ sich anmutig in ihren Stuhl zurücksinken und schlug die Beine übereinander. Dann zwinkerte sie mir zu und gab mir mit ihrem spitzen blauen Fünfziger-Jahre-Schuh einen auffordernden Stups gegen das Knie. »In meinem nächsten Leben versuche ich es vielleicht doch lieber mal mit einem süßen französischen Intellektuellen, was meinen Sie?«
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20
Es war wie im Märchen. Auch dort hat die Zahl Drei eine magische Bedeutung. Drei Mal darf die schöne Müllerstochter den Namen Rumpelstilzchens erraten. Die verwunschene Prinzessin erscheint drei Mal in der Nacht dem König. Aschenputtel schüttelt drei Mal den Baum auf dem Grab ihrer Mutter, um das passende Kleid für den Ball zu bekommen.
Drei Tage nachdem Solène Avril zu mir gesagt hatte: »Mach dir keine Sorgen, Alain. Er wird sie finden« schien sich auch mein größter Wunsch zu erfüllen. Im Märchen wäre es wohl ein berittener Bote gewesen, der die Neuigkeiten überbracht hätte – in meiner Wirklichkeit, die im einundzwanzigsten Jahrhundert angesiedelt ist, war es schlicht das Mobiltelefon, das klingelte.
Entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten kam Allan Wood gleich zum Punkt.
»Ich weiß jetzt, wo sie wohnt!«, sagte er, und ich stieß einen freudigen Laut aus, reckte meine Faust in die Luft wie ein Fußballspieler nach dem entscheidenden Tor und machte an der Ecke Vieux-Colombier und Rue de Rennes einen Luftsprung.
Eine Dame, die gerade mit einer hübschen Papiertüte und zufriedener Miene aus einem Schmuckladen auf die Straße trat, sah mich neugierig an, und ich hatte das Gefühl, mein Glück auf der Stelle mit jemandem teilen zu müssen.
»Er hat sie gefunden!«, rief ich der erstaunten Dame zu.
Sie zog amüsiert die Augenbrauen hoch und sagte in einem Anfall von Humor: »Na, das ist ja großartig.«
»Er hat sie gefunden!«, erklärte ich kaum fünf Minuten später meinem Freund Robert, der gerade auf dem Weg in die Vorlesung war.
»Großartig«, sagte mein Freund. »Lass uns später telefonieren.«
Es war Donnerstag, früher Nachmittag, und die Welt war die beste aller Welten. Allan Wood, Regisseur, Meisterdetektiv und mein neuer Freund und Verbündeter, hatte es geschafft. Er hatte seine Tochter gefunden, die Frau, der ich mein Herz geschenkt hatte.
Es war zunächst recht mühsam gewesen, doch nach einigen zähen Telefonaten mit Mitgliedern von Hélènes Familie an der Loire, die sich vor allem dadurch auszeichneten, dass der Hörer aufgeknallt wurde, sobald Allan seinen Namen nannte, gab es dann doch einen Neffen zweiten Grades, der Mitleid hatte mit dem aufgeregten Ex-Freund seiner verstorbenen Tante Hélène und bereit, diesem die Adresse der gemeinsamen Tochter zu verraten.
Wie sich herausstellte, war Méla erst vor etwa einem Jahr – offensichtlich nach einer dramatisch gescheiterten Ehe mit einem Südfranzosen (Genaueres wusste der Neffe allerdings nicht zu berichten) – von Arles wieder nach Paris gezogen. Sie lebte jetzt unter ihrem Mädchennamen im Bastille-Viertel unweit der Place des Vosges, die genaue Straße war dem Neffen leider nicht bekannt, aber er konnte Allan Wood immerhin eine Festnetznummer geben.
»Ich habe schon recherchiert«, erklärte dieser stolz. »Sie wohnt in der Rue
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