Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
Ende trennte sie nicht nur der Atlantische Ozean, sondern auch eine gewisse Sprachlosigkeit.
    Als Méla acht Jahre alt war, setzte sich ihr Vater in Manhattan zufällig auf eine Bank am Battery Park und schaute auf den Hudson River. Und dort, auf dieser Bank, um die ein frühlingshafter Wind wehte, wurde er von einer jungen diskutierfreudigen Frau in ein Gespräch verwickelt. Sie war, wie sich rasch herausstellte, Literaturdozentin an der Columbia in New York, und sie hatte, was noch besser war, eine tiefe Abneigung gegen Pferde. Zu viel Natur machte sie genauso nervös wie Allan Wood. Und so spazierten die beiden redend und lachend durch die Straßen von Manhattan, und Allan, der in seiner Beziehung mit der Pferdefrau nahezu verstummt war, machte die herrliche Erfahrung, wie neu und frisch wieder alles war, wenn man es einer jungen und schönen Frau erzählen konnte, deren Interesse unerschöpflich schien.
    Erregung und Schuldbewusstsein wechselten in schneller Folge, doch am Ende siegte die Erregung – die geistige und die körperliche.
    Allan Wood verließ Hélène, die er im Übrigen nie geheiratet hatte, und ehelichte die dreizehn Jahre jüngere Lucinda, mit der er kurz darauf einen Sohn bekam.
    Hélène war außer sich vor Wut. Sie schüttelte ihre kastanienbraunen Locken und schwor ihm hasserfüllt, dass sie sich niemals wiedersehen sollten. Danach ging sie für einige Monate in einen Ashram nach Indien. Méla kam vorübergehend in ein Internat, aber den Hass auf den verräterischen Vater hatte Hélène ihrer Tochter eingeimpft.
    Allan Wood blickte ein wenig schuldbewusst in sein Glas, als er zum Ende seiner Geschichte kam.
    »Natürlich war das alles nicht sehr schön«, sagte er. »Aber wissen Sie, mein Freund, wenn man älter wird und nachdenklicher und irgendwann begreift, dass das Leben eine nicht ganz so lange Zeit ist, dann ist es wie ein Geschenk des Himmels, wenn man mit so einem jungen Wesen zusammen sein kann. Dass man plötzlich wieder teilhaben kann an dieser Unbekümmertheit und Leichtigkeit, die man selbst im Laufe der Jahre verloren hatte und nach der man sich doch niemals aufhört zu sehnen.«
    Ich nickte. Solche Gedanken waren mir fremd. Noch. Allan Wood jedenfalls war seiner Sehnsucht treu geblieben. Vor einigen Jahren hatte er sich auch von der Literaturdozentin getrennt. Mittlerweile war er zum dritten Mal verheiratet.
    »Und Sie meinen, Méla, ich meine Mélanie könnte die Frau im roten Mantel sein?«, fragte ich und spürte ein Kribbeln in meinem Bauch aufsteigen.
    »Ich halte es nicht für ausgeschlossen. Méla war schon immer sehr impulsiv. Vielleicht hat sie rausgekriegt, dass ich wieder in Paris bin – in Ihrem Kino – und dann ist sie abgehauen.«
    »Aber … aber woher … ich meine, wie …«
    Allan Wood zog die Augenbrauen in die Höhe. »Die Zeitungen waren ja nun voll davon, dass die Dreharbeiten in Paris und im Cinéma Paradis stattfinden.«
    Ich rutschte aufgeregt auf dem Ledersofa herum und erinnerte mich mit Schrecken daran, dass ich in dem Interview mit Monsieur Patisse sogar etwas davon gefaselt hatte, wie sehr ich Allan Wood bewunderte, wie überaus sympathisch er mir war und dass ich schon bei unserem ersten Gespräch das Gefühl gehabt hätte, mit einem Freund zu reden.
    »Allan und Alain – ziemlich beste Freunde!« hatte der Journalist seine Geschichte getitelt und war ganz stolz auf seine Referenz an das Kinomilieu.
    Und wenn man es genau betrachtete, war es in der Tat so, dass Mélanie in dem Moment aus meinem Leben verschwunden war, als Allan Wood darin auftauchte. Plötzlich schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Da war die Übereinstimmung des Namens und des Alters. Auch meine Mélanie hatte wunderschöne braune Augen. Und hatte Allan Wood nicht etwas von dem aufrechten Gang einer Balletttänzerin gesagt? Fieberhaft fing ich an, nach Übereinstimmungen zu suchen.
    »Hat sie denn dunkelblonde Haare? So ein Karamellblond?«, fragte ich.
    Allan Wood überlegte. »Nun ja«, sagte er. »Wie das so ist mit den Frauen. Sie wechseln gerne mal die Haarfarbe. Als Kind hatte Méla kastanienbraune Haare wie ihre Mutter. Dann hatte sie plötzlich schwarze Haare. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie blond – wenn auch nicht wirklich karamellblond.« Er lächelte. »Sie haben wirklich einen Blick für Details, Allän, das habe ich eben schon gedacht, als Sie von Ihrer Liste erzählten. Dabei ist mir eine Sache aufgefallen – Sie erwähnten, dass

Weitere Kostenlose Bücher