Eines Tages geht der Rabbi
diesem Abend bei den Smalls erschien, erkundigte sich der Rabbi zuerst nach seiner Frau, der es gesundheitlich nicht gutging. Feinberg schüttelte bekümmert den Kopf. «Deshalb bin ich hier. Ich habe beschlossen, dem Winter zu entfliehen. Wir gehen nach Arizona.»
«Und wie lange?»
«Ich kehre nicht mehr zurück, wir ziehen endgültig dorthin. Um ehrlich zu sein, Rabbi: Ich trage mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken. Letzte Woche bin ich nach Phoenix geflogen. Sie wissen ja, mein Sohn Mark ist dort im Immobiliengeschäft, seit ein paar Jahren schon. Er leidet auch an Asthma, und seit er dort wohnt, hat er keinen schweren Anfall mehr gehabt. Er redet uns schon lange zu, daß wir nachkommen sollen – hauptsächlich wegen seiner Mutter. Ja, und um es kurz zu machen – ich habe mir dort ein Haus gekauft.»
«Das ging ja schnell. Da wünsche ich Ihnen natürlich alles Gute. Aber was wird aus Ihrem Geschäft?»
«Das haben schon seit einiger Zeit mein jüngerer Sohn Abner und mein Schwiegersohn übernommen. In den letzten beiden Jahren habe ich damit eigentlich sowieso nicht mehr viel zu tun gehabt. Gewiß, ein- oder zweimal in der Woche lasse ich mich dort sehen, aber das ist eigentlich auch schon alles. Sie schaffen es auch ohne mich.»
«Wann fahren Sie? Ist das schon Ihr Abschiedsbesuch?»
Feinberg lachte. «Nein, nein, einen Monat wird es schon noch dauern, ich habe noch eine Menge zu erledigen. Aber was mir hauptsächlich Sorgen macht, ist der Tempel.» Er gluckste belustigt. «Ich kann die Geschäfte schlecht schriftlich von Arizona aus führen.»
«Dann muß unser Vizepräsident – nein, das geht nicht. Wir haben ja keinen. Wir müssen also Neuwahlen ansetzen.»
«Ich habe mir neulich mal die Satzung durchgelesen, Rabbi. Im Anfang hatte der Vorstand etwa 45 Mitglieder und einen ersten, einen zweiten und einen dritten Vize. Was das sollte, ist mir allerdings schleierhaft.»
«Soweit ich weiß – ich bin ja auch noch nicht so lange hier –, sollte damit nicht die Nachfolge gesichert, sondern eine Art Ehrentitel geschaffen werden. Deshalb auch die 45 Vorstandsmitglieder. Zu den Sitzungen kamen meist nicht mehr als fünfzehn, aber man wollte damit so viele Mitglieder wie möglich aktiv beteiligen. Als vor einigen Jahren der Vorstand auf fünfzehn Mitglieder beschränkt wurde, hat man durch eine Statutenänderung einen einzigen Vizepräsidenten vorgesehen, aber der Präsident konnte jetzt einen Vizepräsidenten ernennen, wenn das Amt aus irgendeinem Grund vakant wurde, so daß nicht neu gewählt zu werden brauchte. Wahrscheinlich dachten sie sich, daß eine außergewöhnliche Mitgliederversammlung nur zur Wahl eines Vizepräsidenten nicht besonders gut besucht sein würde.»
«Stimmt, das war etwa zu der Zeit, als Agnew zurücktrat und Nixon Ford ernannte. Was die Vereinigten Staaten können, hat sich damals der Vorstand wohl gedacht, kann unser Tempel schon lange. ‹Wenn aus irgendeinem Grund das Amt des Vizepräsidenten vakant wird, kann der Präsident mit Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Vorstandsmitglieder bei einer regulären Vorstandssitzung ein Vorstandsmitglied in dieses Amt berufen.› Oder so ähnlich. Und da habe ich mir gedacht, daß ich jemanden ernenne, mir die Zustimmung des Vorstandes hole und dann zurücktrete. Ich dachte an … Nein?» Der Rabbi hatte den Kopf geschüttelt.
«Sie würden vermutlich Ihren Freund Siskin ernennen.»
«Oder Ely Mann. Oder Murray Larkin.»
«Ganz unabhängig von der Person würde der Vorstand wahrscheinlich seine Zustimmung geben, weil man dem Amt des Vizepräsidenten keine besondere Bedeutung beimißt. Aber wenn Sie dann Ihren Rücktritt bekanntgeben, wird Chester Kaplan so laut Schiebung schreien, daß man es bis Lynn hört. Man würde es als Trick empfinden, und so etwas läßt seine Clique sich nicht gefallen. Sie würde Sitzungen abhalten und eine Telefonkampagne starten, die Gemeinde könnte sich darüber spalten, zumindest gäbe es über Jahre hinaus böses Blut.»
«Aber wenn ich einfach so zurücktrete, findet in ein, zwei Wochen eine Neuwahl statt, und die gewinnt Chester Kaplan mit fliegenden Fahnen», sagte Feinberg eigensinnig.
«Wieso meinen Sie, daß er gewinnen würde?»
«Weil er eine geschlossene Gruppe hinter sich hat. Sie hocken ständig beisammen, regelmäßig einmal in der Woche ist Treff bei Kaplan. Sein Wahlkampf wäre im Gang, noch ehe die Konservativen sich auf einen Kandidaten geeinigt hätten.»
«Das
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