Einfach. Alles. Merken
eine Tageszeitung drei Wochen lang in die Sonne und vergleichen Sie diese Ausgabe dann mit einem druckfrischen Exemplar. Und digitale Speichermedien haben eine noch viel kürzere Lebensdauer. Bekanntestes Opfer dieses Problems war vor ein paar Jahren die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA. Nicht ausgewertete Magnetbänder der Viking-Mission 1976 zum Mars konnten nicht mehr gelesen werden, weil die Programmierer entweder die NASA verlassen hatten oder zwischenzeitlich gestorben waren.
Zukunftsforscher betiteln dieses Jahrhundert als „Digital Dark Age“ („Digitales Mittelalter“), weil nichts von den Daten in Zukunft lesbar sein wird, die heute auf Festplatten gespeichert sind. Wir sollten unseren Enkelkindern doch etwas von der guten alten Zeit erzählen.
Nicht alle tun es
Einfach alles merken – mit Merktechniken geht das! Die in Gedächtnistrainings am häufigsten gestellte Frage: Warum haben sich diese geheimnisvollen Methoden nicht durchgesetzt, obwohl sie in der Antike bereits bekannt waren? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, aber immerhin sind die Merktechniken über so lange Zeit nicht vergessen worden.
Es gibt zwei Sorten von Menschen, die mit Merktechniken arbeiten: Der größere Teil aktiver Nutzer schweigt darüber, dass er Hilfsmittel zum Denken benutzt. Nach außen ein Genie, drinnen nur ein gut trainierter Gehirnakrobat mit einem normalen Intelligenzquotienten – wer gibt schon zu, eigentlich nur Durchschnitt zu sein?
Es würde in vielen Fällen auch keinen Sinn machen, diese Art zu denken Mitmenschen offen zu zeigen. Schnell würde man als geistig nicht ganz auf der Höhe abgestempelt. Würden Sie Ihrem Nachbarn erzählen, dass die Ziffer eins für Sie ein Pfeil ist und ein Dreieck der Wald, in den Ihr Kreuz-Filmstar läuft, um das Geschoss zu suchen?
Merktechnik ist vergleichbar mit Zauberei. Sind die Tricks bekannt, dann ist die Schau langweilig, weil Jungfrauen nicht fliegen können und David Copperfield nicht durch die Chinesische Mauer marschieren kann. Magie ist eine Frage der Perspektive: Während der Zuschauer staunt, vollführt der Zauberer seine Tricks mit Geschick und Technik. Ist Ihnen aufgefallen, dass Magie und Genie ähnlich klingen?
Es ist unglaublich beeindruckend, wenn Menschen sich Zahlen, Daten und Fakten in rauen Mengen merken, nach drei Wochen perfekt Spanisch sprechen und die Hauptstadt von Sierra Leone kennen. Hier wird starr und steif an ein Gesetz der Natur geglaubt: Genies werden geboren und nicht gemacht! Und Streber sind armselige, blasse Geschöpfe, die, statt zu leben, ihre Zeit in gekrümmter Haltung am Schreibtisch verbringen. Wers glaubt!
Die zweite Sorte von Anwendern nennt sich Gedächtniskünstler und steht immer wieder mal bei Wetten, dass …? auf der Bühne, um sich eine Reihe von ein- und ausgeschalteten Glühbirnen oder die Vornamen des gesamten Publikums zu merken. Dann werden Merktechniken gerne in die Ecke menschlicher Defekte verbannt: eine herausragende Fähigkeit, die ein Normalbürger ohnehin nicht nachahmen kann, weil die im Fernsehen nicht normal sein können. Aber die meisten Gedächtniskünstler haben Durchschnittsgehirne zwischen den Ohren. Was da im Samstagsprogramm gezeigt wird, ist von jedem Kopf mit ein wenig Training machbar.
Solche Auftritte haben einen weiteren Effekt: Kopfkünstlern werden Tricks und Manipulation unterstellt. Damit sind wir wieder bei der Frage, warum Merktechniken nicht auf dem Stundenplan stehen. Magie und Manipulation passen nicht zur ernsthaften Bildung. Anscheinend darf Lernen nicht Vergnügen sein!
Als Mitte 2009 die EU-Vorschrift zum Verkaufsverbot von Glühbirnen in Kraft trat, stiegen die Verkaufszahlen von umweltfreundlichen Energiesparlampen in vielen europäischen Ländern, während in Deutschland Hamsterkäufe den Absatz Energie fressender alter Birnen im zweistelligen Prozentbereich in die Höhe schießen ließen. Auch wenn das mit Denken nicht viel zu tun hat, zeigt es doch, wie wir denken. Wir halten uns an alten Vorstellungen (und Glühbirnen) fest, bis es nicht mehr anders geht. In Asien ist das Interesse an Merktechniken enorm. Die Nachfrage kommt dort gleichermaßen aus Unternehmen, Schulen und Behörden. Gleichzeitig werden in Deutschland Fairness und Gleichberechtigung als wichtige Tugenden des Bildungssystems herausgestellt. Und die Eltern haben es ja auch so geschafft. Warum sollten unsere Kinder es leichter haben? Eine nachwachsende Generation, die besser
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