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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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ich den Hamster sehen.«
    Ich öffne den Rucksack einen Spaltbreit, sie reicht mir das Geld.
    Â»Gib ihn mir.«
    Â»Nicht so schnell, Vanessa! Die zehn Francs reichen nur für eine Pfote. Alles andere kostet zehn Francs extra!«
    Noch am selben Abend steht sie mit dem Geld vor meiner Haustür.
    Â»Und jetzt gibst du mir endlich den Hamster!«
    Â»He, Herzchen, mein Hamster hat schließlich vier Pfoten … Die beiden letzten überlasse ich dir für fünfzehn, ein echtes Schnäppchen …«
    Â»Du bist so ein Arschloch, Abdel! Wenn du mir den Hamster jetzt gibst, bezahle ich dich am Donnerstag in der Schule.«
    Â»Und woher soll ich wissen, dass du mich nicht reinlegst, Vanessa …?«
    Vor Zorn ist sie puterrot. Ich auch, aber vor Lachen. Ich gebe ihr die stinkende Fellkugel und blicke ihr hinterher, als sie sich verzieht. Dem Hamster hätte ich niemals ein Haar gekrümmt. Ein paar Wochen später ist er in Vanessas Fünf-Sterne-Käfig gestorben. Sie konnte sich nicht mal anständig um ihn kümmern.

    Ich werde auf ein technisches Gymnasium im XII . Arrondissement versetzt, Chennevière-Malézieux heißt es und meine Fachrichtung »Allgemeine Mechanik«. Am ersten Tag hält uns der stellvertretende Schuldirektor eine Lektion in Geschichte und gleichzeitig eine nette kleine Moralpredigt.
    Â»André Chennevière und Louis Malézieux waren beide tapfere Verteidiger Frankreichs zur Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Aber Sie haben das Glück, in einem friedlichen und blühenden Land zu leben. Das Einzige, wofür Sie kämpfen müssen, ist Ihre Zukunft. Ich möchte Sie dazu ermuntern, Ihre Ausbildung so beherzt anzugehen, wie die Herren Chennevière und Malézieux einst ihre Pflicht erfüllt haben.«
    Gebongt. Ich werde diesen beiden Typen nacheifern und Widerstand leisten. Es war nie meine Absicht, mir die Hände schmutzig zu machen. Ich bin vierzehn Jahre alt, verfolge keine Ziele, will einfach nur frei sein. Noch zwei Jahre, dann müssen sie mich ziehen lassen. Schulpflicht besteht in Frankreich nur bis zum sechzehnten Lebensjahr. Außerdem weiß ich, dass sie die Zügel bestimmt schon vorher lockern werden.
    Zum Glück. Ich hab nichts mit der Herde gemein, mit der ich hier grasen soll. Wie ging doch gleich die Geschichte, die unsere Französischlehrerin uns letztes Jahr erzählt hat? Die Schafe des Panurg, genau! Der Kerl wirft ein Schaf ins Meer, und der Rest der Herde springt hinterher. In dieser bescheuerten Penne erinnern alle Schüler an Schafe. Was für ein Anblick: stumpfe Augen, ein winziger Wortschatz, höchstens ein Gedanke pro Jahr. Sie sind ein-, zweimal sitzengeblieben, manche dreimal. Dann haben sie so getan, als wollten sie sich anstrengen, als strebten sie Abi, Uni und den restlichen Blödsinn an. Dabei lassen sie sich nur von niederen Instinkten leiten: fressen, ein Hoch auf die Mensa , und vor allem ficken – sie kennen überhaupt kein anderes Wort, sprechen den ganzen Tag nur davon.
    In dieser debilen Klasse sind auch drei Mädchen gelandet. Die Ärmsten. Eins wird mindestens daran glauben müssen, und zwar mehrmals, das heißt mit mehreren Schwachmaten … Ich mag ja viele Fehler haben, aber diese Art von Gewalt wende ich nicht an. Nein danke, da mach ich nicht mit. Mich zieht’s woandershin, zu anderen Untaten.

7
    In der Cité drehten wir inzwischen Däumchen. Die Läden rüsteten allmählich auf, um sich gegen unsere Besuche zu wappnen: Bewegungsmelder, extra leistungsstarke Warensicherungssysteme, Wachleute, besonders geschultes Verkaufspersonal, das eine bestimmte Art von Kunden im Auge behalten sollte … Innerhalb von knapp zwei Jahren waren die Sicherheitsmaßnahmen derart verstärkt worden, dass unsere Quelle versiegte. Wir hatten die Wahl: entweder auf die Kapuzenpullis verzichten, die uns so verdammt gut standen, oder eine neue Quelle auftun … Zum Beispiel die Kids aus den Bonzenvierteln. Eine logische Schlussfolgerung, wenn auch eine recht zynische – das sehe ich heute ein. Damals war mir das nicht bewusst. Ich konnte mich nicht in andere Menschen reinversetzen. Ich kam nicht einmal auf die Idee, es zu versuchen. Hätte mich einer gefragt, wie sich wohl ein Junge fühlt, der gerade ausgeraubt wurde, wäre ich in ein hämisches Kichern verfallen. Da an mir alles abprallte, musste es

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