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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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so plötzlich den Abgang machte, war das ein richtiges Ereignis. Die Alten, die ihre Wohnung normalerweise nicht verließen, kamen ins Treppenhaus, um mit ihren Nachbarn zu sprechen. Eigentlich sagten sie nichts. Einige wollten bloß den Schein wahren, den anderen zeigen, dass ihnen der arme Monsieur Benboudaoud leidtat, der es schließlich nicht mehr ausgehalten hatte. Andere wollten mit ihrem Scharfsinn prahlen, indem sie den Grund für diesen Selbstmord erklärten, natürlich kannten sie als Einzige die Wahrheit.
    Â»Youssef hat das Alleinsein nicht mehr ertragen, seit dem Tod seiner Frau war er so unglücklich, wann ist sie eigentlich gestorben?«
    Â»Das ist mindestens fünf Jahre her. Aber Sie täuschen sich, er hat sich nicht wegen seiner Frau umgebracht.«
    Stille, atemlose Spannung, Trommelwirbel, mit offenem Mund wartet der Nachbar auf die große Enthüllung.
    Â»Er hat sich umgebracht, weil er seine Post gelesen hat!«
    Â»Ach ja? Was hat er denn heute Morgen für Post gekriegt?«
    Â»Haben Sie das nicht gesehen? Er hielt den Brief noch in der Hand, als er aufgeschlagen ist.«
    Stimmt. Der alte Youssef ist zusammen mit seinem Steuerbescheid aus dem siebten Stock gesprungen. Er hat den Wisch unterwegs nicht losgelassen, das muss ihm erst mal einer nachmachen.
    Ich sehe diesen anderen Typen wieder vor mir, einen Franzosen, zerstört vom Alkohol und gezeichnet von der Last seines Versagens. Er wohnte zusammen mit seiner Frau, ebenfalls eine Säuferin, im Treppenhaus nebenan. Als sie ihn für einen anderen verließ, stürzte er sich aus dem Fenster. Bloß, dass er im ersten Stock wohnte … Er brach sich sämtliche Knochen, blieb auf dem Rücken liegen, ein Arm irgendwie unter dem Nacken gequetscht, ein Bein auf Taillenhöhe, ein Ellbogen in die Rippen gebohrt. Als die Feuerwehrleute eintrafen, wussten sie nicht, wo sie diesen ausgerenkten Hampelmann anpacken sollten. Sie breiteten eine Rettungsdecke über ihm aus, eine schöne goldene Folie. Der Arme funkelte wie ein Stern, als er starb.
    Noch eine Geschichte fällt mir ein, über die meine Kumpels und ich furchtbar lachen mussten, obwohl wir sie furchtbar eklig fanden: Leila, eine stark übergewichtige Frau, die gar nicht mehr aus dem Haus ging, sprang aus dem sechsten Stock. Ihr Körper explodierte auf dem Asphalt mit einem gewaltigen Platsch , wie eine überreife Tomate. Und wieder steckte eine Liebesgeschichte dahinter: Ihr Kerl hatte sich in der gemeinsamen Wohnung mit einer anderen Frau zusammengetan. Gegen Ende des darauffolgenden Sommers wurde er dann halb verwest in seinem Bett aufgefunden: Er litt an Krebs im Endstadium, während seine neue Herzensdame sich in den Urlaub verabschiedete. Danach ließ sie die Zweizimmerwohnung von Profis putzen, sie lebt immer noch dort.
    Was für ein Pech, wenn ich es recht bedenke: Ausgerechnet ich, der sonst ständig unterwegs war und mich höchstens einmal alle zehn Tage bei meinen Eltern zum Essen blicken ließ, war jedes Mal dabei, wenn ein Nachbar Harakiri machte. Und jedes Mal suchte ich schleunigst das Weite. Die Polizei war nämlich immer gleich zur Stelle, um die Ermittlungen einzuleiten. Auch wenn ich nie genau wusste, weshalb sie nun schon wieder hinter mir her waren, wusste ich eins genau: dass ich ihnen lieber aus dem Weg gehen sollte.

    Sie suchten mich wegen des Mordes von Châtelet-Les Halles. Die Place Carrée war bereits mit Überwachungskameras ausgerüstet, die den ganzen Tatverlauf gefilmt hatten, bloß dass die Bildqualität zu wünschen übrigließ: Der Mörder ließ sich nicht identifizieren. Ein großer Schwarzer in Trainingsanzug und Turnschuhen, die gab’s wie Sand am Meer. Mich hatten sie jedoch wiedererkannt. Ich hatte ja oft genug mit den Bullen zu tun gehabt. Jedes Mal, wenn sie mich erwischten, hielten sie mich so lange fest, wie es das Gesetz erlaubte und versprachen mir beim Abschied, dass wir uns schon bald wiedersehen würden.
    Das Wiedersehen erfolgte nach einer simplen Ausweiskontrolle, eines Morgens in einem Vorstadt-Bahnhof, wo ich gerade aufgewacht war. Ich ging praktisch nie mehr zur Schule oder nach Hause. Meine Nächte verbrachte ich in den Vorortzügen, wie die Typen von Châtelet, mit denen ich abends immer rumhing. Wir vertrieben uns die Zeit bis zum Morgengrauen, und wenn der Bahnverkehr gegen vier oder fünf Uhr früh wieder einsetzte,

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