Einfach losfahren
unserer ersten Begegnung und dem heutigen Tag, an dem wir Eltern werden, liegt eine Trennung.
Man könnte sagen, ich bekomme eine Tochter mit meiner Ex.
Zu seiner Ex zurückzukehren, heißt es, ist, wie eine Suppe aufzuwärmen… Na, wer das sagt, der hat noch nie Francesca probiert. Abgesehen davon, dass ich für aufgewärmtes Essen sterben könnte. Nudelauflauf, Polenta, Minestrone, sogar Pizza… ist wohl Geschmackssache.
Damals, als wir frisch zusammen waren, konnten wir uns gar nicht lieben. Wir waren wie zwei Menschen, die ihr Lieblingsinstrument in Händen halten und nicht wissen, wie man es spielt. Aber wir haben dazugelernt.
Das eigentliche Problem lag darin, dass wir im Grunde beide nicht sehr viel zu geben hatten. Unsere Beziehungen waren für uns nur dazu da gewesen, dass wir uns weniger allein fühlten, ein Schutz vor der Traurigkeit. Ich zum Beispiel suchte nach der Frau meines Lebens, weil ich im Grunde genommen gar kein Leben hatte. Oder, wie Federico es einmal ausdrückte: »Du musst nicht die Frau deines Lebens suchen, sondern ein Leben für deine Frau, was hättest du ihr sonst zu bieten? Was legst du auf den Tisch?«
Fede, also Federico, ist einer der Menschen, denen ich diese Vaterschaft verdanke. Ich verdanke ihm meine Wiedergeburt. Auch Francesca verdankt ihm das Leben. Ich weiß nicht, ob wir uns ohne ihn wiedergefunden hätten, und vor allem, ob ich je wieder zu mir gefunden hätte. Vielleicht hätte ich mich weiter treiben lassen und es noch nicht einmal gemerkt. Federico hat mich gerettet.
Wir haben uns in der Mittelschule kennengelernt. In jener Phase des Lebens, in der man die Schule und damit die Freunde wechselt und sich davor fürchtet. Man hätte gern noch die Freunde aus der Grundschule. Am ersten Tag kommen einem die Gesichter der neuen Kameraden noch fremdartig vor. Immer.
»Wer sind denn die? Wo kommen die her? Mit denen werde ich nie so eng befreundet sein wie mit meinen Freunden von früher, so wie die aussehen.«
Aber schon einen Monat später hat man die Freunde aus der Grundschule vergessen. Federico war einer, mit dem ich mich auf den ersten Blick nie angefreundet hätte. Er war mir nicht mal sympathisch. Aber wie es die Regel will: Da er mir nicht gleich gefiel und ich ihm auch nicht, wurden wir unzertrennlich. Er war Einzelkind, ich hatte eine Schwester, mit der ich kaum redete; also waren wir praktisch wie Brüder.
Oft ging ich abends nicht zu meinen Großeltern nach Hause, sondern schlief bei ihm. Mit dreizehn legten wir unsere Hände auf den geteerten Vorsprung des baufälligen Hauses und schworen uns ewige Freundschaft.
Dieses Haus war unbewohnt und völlig verfallen. Am Fassadengiebel besaß es einen geteerten Vorsprung. Es erforderte eine gehörige Portion Mut, hinaufzusteigen und dort den Schwur zu leisten, und dass es so gefährlich war, bewies, wie viel uns unsere Freundschaft bedeutete.
Beim Abstieg rutschte ich ab und zog mir eine Schnittwunde unter dem linken Knie zu. Die Narbe, die zurückblieb, sieht aus wie die Unterschrift unter unseren Freundschaftspakt.
Mit sechzehn machten Federico und ich das erste Mal Urlaub ohne die Eltern, und zwar in Riccione. Riccione deshalb, weil es damals hieß, in Rimini und Riccione finde man immer was fürs Bett. Nach einer Woche hatten wir nichts vorzuweisen außer einem Abend, an dem Fede in der Disco eine aus Padua angebaggert und ihr die Hand in den Slip gesteckt hatte. Draußen durfte ich dann an seinen Fingern schnüffeln, im Tausch gegen einen Cappuccino und einen Bombolone.
In diesen Ferien hatten wir kaum Geld, und mehr als einmal verschwanden wir aus einer Pizzeria, ohne zu bezahlen. Wir stellten es ziemlich schlau an. Wir nahmen Sachen mit ins Lokal, die wir nicht mehr brauchten, eine Brieftasche zum Beispiel oder einen Schlüsselbund, eine Gürteltasche oder eine Jacke. Nach der Pizza ließen wir die Sachen auf dem Tisch liegen und verkrümelten uns, erst der eine, dann der andere. Der Kellner sah unsere Sachen noch daliegen und schöpfte keinen Verdacht, als wäre der eine auf Toilette und der andere kurz ans Auto gegangen oder so. Es funktionierte immer, auch als wir älter waren. Besonders in den Lokalen, wo man nicht rauchen durfte.
Mit achtzehn machten wir unseren ersten Autourlaub, den nagelneuen Führerschein in der Tasche. Mit Fedes knallrotem Polo, Ziel Dänemark.
Noch ehe wir die italienische Grenze erreicht hatten, war das Auto eine Müllhalde. Überall Schachteln, Dosen, Tabakkrümel.
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