Einfach mehr Charisma

Unternehmen Mitarbeiter wie Kunden, Lieferanten wie Wettbewerber. Im Falle eines Politikers sind dies zum Beispiel sein Team, die Parteimitglieder, die Oppositionsparteien, die Gegenkandidaten, die Medien. Diese Inszenierung trägt alle Elemente einer Theateraufführung in sich. Zuerst wird ein Handlungsrahmen festgelegt. Dann wird ein Ablauf, das Script, festgelegt. Der Dialog ist die Gesamtheit von verbalen und nonverbalen Äußerungen, mit denen die Führungskraft ihre Botschaft kommuniziert. Sie leitet die Aufführung, indem sie die Richtung des Eindrucks vorgibt, der entstehen soll. Die Ausstattung spielt ebenfalls eine große Rolle. Eine bestimmte Art, sich zu kleiden, bestimmte Gegenstände und Accessoires, die die Botschaft repräsentieren und verstärken, gehören zu jedem charismatischen „Drama“.
    Showtime! Die Aufführung dieses Theaterstücks bringt alle Elemente zusammen und liefert die Bilder und Eindrücke, die uns beeindrucken und beeinflussen sollen. Ob Wahlkampfveranstaltung oder Aktionärsversammlung, ob Charity-Event oder Besuch des Verteidigungsministers bei den Truppen in der Krisenregion, ob Papstbesuch oder Budgetrede im Parlament, ob Talkrunde im Fernsehen oder Promihochzeit – dies alles sind Inszenierungen, die einer bestimmten Dramaturgie folgen.
    Neben den Auftritten von Barack Obama, die exzellent inszeniert sind, möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch explizit auf einen Mann hinweisen, dessen Wirkung mit einer Marke verbunden ist, die in den letzten Jahren einen unglaublichen Höhenflug hingelegt hat. Die Rede ist von Steve Jobs, dem „Vater“ von Apple. Seine Auftritte in der Öffentlichkeit sind selten, aber so eindrucksvoll inszeniert, dass schon Wochen vorher in allen Medien darüber berichtet und spekuliert wird, welche neuen Produkte er wohl präsentieren wird. Jede Regung von Steve Jobs wird beobachtet, interpretiert und kommentiert. Mails, die von seinem Account aus versendet werden, werden in allen Medien kommentiert, selbst wenn sie nur aus einem Wort bestehen. Dabei ist sein Äußeres unscheinbar – er trägt immer ein schwarzes Shirt, Jeans und Sneakers – und sein kolportiertes Jahresgehalt von einem US-Dollar im Jahr vermittelt den Eindruck extremer Bescheidenheit. Er spielt alle Register dramaturgischer Selbstinszenierung und damit verbunden der Inszenierung der Marke Apple, die der eigentliche Charisma-Träger in diesem Schauspiel ist. Und in die Aufführung sind alle einbezogen: Mitarbeiter und Kunden von Apple, Lieferanten, die Mitbewerber, die Medien. Apple ist durch diese Art der Markt- und Markenkommunikation seinen Mitbewerbern ähnlich weit voraus, wie Barack Obama als Ausnahmepolitiker neue kommunikative Maßstäbe setzt. Aus beiden Beispielen lässt sich erkennen, wie sich Charisma im Zeitalter der Informationsgesellschaft entwickelt und wie mächtig sein gezielter Einsatz machen kann. Dies zu beobachten und daraus zu lernen kann Ihnen beim Aufbau Ihres eigenen Charismas sehr nützen.

Ein faszinierendes Phänomen mit Geschichte – das Wichtigste in Kürze
Das Wort Charisma stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Aufmerksamkeit auf sich ziehen“, abgeleitet von Charis, Göttin der Anmut und der Liebe.
Die Wissenschaft hat viele Erklärungen für das Phänomen Charisma entwickelt, und der Charisma-Begriff hat sich im Laufe der Zeit gewandelt: von der Gottesgabe zum Bündel von Wirkungsfaktoren, die man selbst beeinflussen kann.
Charisma ist ein Zusammenspiel erlernter, trainierter, über einen längeren Zeitraum angeeigneter Mittel zur Durchsetzung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Tragen kommen können, wenn die Person zudem eine Vision und die Fähigkeit zur Motivation mitbringt und die äußeren Umstände günstig sind.
Als Merkmale von Charisma werden in der Wissenschaft immer wieder Redefähigkeit, Motivations- und Begeisterungsfähigkeit, visionäres, aber auch analytisches Denken, soziale Kompetenz, Optimismus und herausstechende Körpereigenschaften genannt.
Ein bestimmtes Umfeld von Mentoren und Netzwerken kann die Entwicklung einer charismatischen Persönlichkeit fördern.
Charisma entsteht durch Zuschreibung anderer, die eine Person aufgrund bestimmter Verhaltensweisen als charismatisch empfinden beziehungsweise ihre Führungsrolle aus diesem Grunde akzeptieren. Ein Charismatiker braucht also immer die anderen, mit denen er in Interaktion treten kann, er muss wahrgenommen werden und kommunizieren, um sein Charisma zu