Einfach verrückt!: Roman (German Edition)
sie fühlte sich furchtbar. Sie benahm sich idiotisch. Schlimmer noch: Sie war gemein. Aber in diesem einen Monat, seitdem sie sich von einem Fremden in eine Hoteltoilette hatte zerren lassen, hatte sich in ihrem Leben das Unterste nach oben gekehrt. Und jetzt kämpfte sie darum, durch diese neue Welt hindurch in ihre alte Welt zurückzufinden. In die sichere. In die, die sie kannte.
»Das war gemein von mir«, sagte sie »Es tut mir Leid.« Und sie meinte es ehrlich.
Er nickte und lächelte ihr müde zu. »Ich weiß. Seit ich hier bin, habe ich deutlich gesehen, wie sehr du dich um alles kümmerst. Und ich verstehe jetzt, dass du die Kontrolle haben möchtest. Über das Haus, den Garten. Über mich.« Sein Lächeln verschwand, und er sah ihr in die Augen. »Aber zugleich bist du so fest entschlossen, unabhängig zu sein, dass du niemanden in dein Leben lässt.«
»Das ist nicht wahr! Ich habe dich in mein Leben gelassen!«
»Hast du das? Du wolltest nicht, dass ich irgendeine Aufgabe in deinem Haus übernehme. Was sagtest du neulich noch gleich, als ich den Rasen mähen wollte? Ich bin Gast hier.«
»Aber das habe ich doch nicht gesagt, weil ich dich nicht in meinem Leben haben will. Ich wollte nicht, dass du mir hilfst, weil ich Angst hatte, dass du dich überanstrengst und wieder einen Herzinfarkt bekommst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du mich ein zweites Mal verlässt!«
Chloe stockte der Atem. Aber sie konnte die Worte einfach nicht zurücknehmen. Die Wahrheit, die sie niemandem eingestehen wollte – weder Julia noch Kate und ganz sicher nicht ihrem Vater -, war, dass sie mit der Angst lebte, er könnte jeden Moment einen weiteren Herzinfarkt erleiden. Einen tödlichen diesmal, so dass sie niemals die Chance erhalten würden, wirklich Vater und Tochter zu sein. Sie würden keine Gelegenheit mehr haben, ihr Leben miteinander zu teilen. Sie würde niemals erfahren, wer er wirklich war.
Oder warum er fortgegangen war.
Ihr Vater sah sie überrascht an. »Ist das der Grund für dies alles hier?«
»Es tut mir Leid«, sagte sie und seufzte. »Ich wollte nicht, dass du dich kränklich fühlst. Aber ich mache mir Sorgen … Und ich dachte mir nur, dass wir vielleicht die Chance hätten, uns besser kennen zu lernen, bevor du eine Beziehung eingehst …, dass ich dich vielleicht für mich allein haben könnte, jedenfalls für eine kurze Zeit.« Sie rümpfte die Nase, weil sie deutlich spürte, wie offenkundig selbstsüchtig dieser Wunsch war.
»Ach, Chloe«, sagte er. »Ich fühle mich nicht kränklich. Glaub mir, mir geht es gut. Ich esse jetzt gesund. Ich gehe jeden Tag spazieren. Du wirst für den Rest meines Lebens – oder bis du von mir genug hast – etwas von mir haben, mit oder ohne Freundin. Trotzdem, ich glaube, das alles geht bei dir tiefer, als du mir oder sogar dir selbst eingestehen magst. Wie ich schon sagte: Du willst die Kontrolle über dein Leben.« Die Stimme ihres Dads war voller Wärme und Weisheit – wie die eines richtigen Vaters. »Aber jetzt erkenne ich, dass du Menschen nicht in dein Leben lässt, weil du Angst hast.«
Chloe blieb fast die Luft weg.
»Du bist die Tochter deiner Mutter«, sagte er liebevoll. »Und sie war die Tochter deiner Großmutter.«
Sie spürte einen Druck hinter ihren Augen. »Was hat das denn damit zu tun, dass ich unabhängig sein will?«
»›Männer lügen, betrügen und machen sich aus dem Staub.‹«
Sie war sprachlos. »Woher hast du das?«
»Von deiner Mutter, und deine Mutter hatte es von ihrer Mutter. Das sind Worte, die statt Porzellan oder wertvoller Juwelen wie ein Vermächtnis weitergereicht werden. Aber es ist ein falsches, zerstörerisches Vermächtnis.«
Ihre Wangen glühten. »Aber du hast sie doch verlassen!«
»Nein, das habe ich nicht. Sie hat mich von sich gestoßen. Immer wieder und wieder.«
Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie dadurch seine Worte abschütteln. »Aber meine Mutter kam ums Leben, nachdem du fortgegangen bist. Das weißt du.«
»Objektiv betrachtet stimmt das. Aber der einzige Grund für meinen Fortgang war, dass sie mich nicht wollte.« Er schloss die Augen und hing seinen Erinnerungen nach. »Deine Mutter war die wunderbarste Frau, die mir je begegnet ist. Ich habe sie jahrelang geliebt. Solange ich sie kannte, habe ich sie immer wieder dazu zu bewegen versucht, mich zu heiraten.«
Seine Worte waren ebenso überraschend, wie sie ihrer Seele gut taten. Reden. Über ihre Eltern. Etwas über deren
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