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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Lieblingsthema) mit jener unsterblichen oder selbst monotonen Fröhlichkeit an, die so oft das Kennzeichen des wohlhabenden absoluten Abstinenzlers ist.
    Die etablierte Fassung seiner Wandlung war auf den puritanischeren Rednertribünen und Predigtkanzeln wohlbekannt: wie es ihn als Knaben fast noch von der schottischen Theologie zum schottischen Whisky gezogen habe und wie er aus beidem aufstieg und (wie er es bescheiden formulierte) zu dem wurde, was er war. Doch ließen sein weiter weißer Bart, sein engelhaftes Angesicht, seine blitzende Brille auf den zahllosen Essen und Kongressen, zu denen sie erschienen, es fast unglaubwürdig erscheinen, daß er je etwas so Morbides wie ein Schnapstrinker oder ein Kalvinist gewesen sei. Er war, das fühlte man, der ernsthafteste Fröhliche unter allen Menschenkindern.
    Er hatte am ländlichen Rand von Hampstead gelebt, in einem schönen Haus, hoch aber nicht breit, einem modernen und prosaischen Turm. Die schmalste seiner schmalen Seiten überragte die steile grüne Böschung einer Eisenbahn und wurde von den vorbeifahrenden Zügen erschüttert. Sir Aaron Armstrong hatte, wie er lärmig erklärte, keine Nerven. Doch wenn der Zug oft das Haus erschüttert hatte, so war es an diesem Morgen umgekehrt, das Haus erschütterte den Zug.
    Die Lokomotive verlangsamte und hielt genau jenseits jener Stelle an, wo eine Ecke des Hauses an die steile Rasenböschung stieß. Das Anhalten der meisten mechanischen Dinge muß langsam geschehen; aber der lebende Anlaß dieses Anhaltens war sehr schnell. Ein Mann, der vollständig in Schwarz gekleidet war, bis hin (wie man sich später erinnerte) zu dem schrecklichen Detail der schwarzen Handschuhe, war auf der Böschung vor der Lokomotive erschienen und hatte seine schwarzen Hände geschwungen wie finstere Windmühlenflügel. Das allein würde selbst einen Bummelzug kaum angehalten haben. Aber da kam ein Schrei aus ihm, von dem man später als von etwas absolut Unnatürlichem und Neuem sprach. Es war einer jener Schreie, die schrecklich eindeutig sind, selbst wenn man nicht versteht, was geschrieen wird. In diesem Fall lautete das Wort »Mord!«
    Aber der Lokomotivführer beschwört, daß er auch dann angehalten hätte, wenn er nur den schrecklichen und eindeutigen Ton gehört hätte, und nicht das Wort.
    Nachdem der Zug einmal angehalten hatte, konnte selbst der oberflächlichste Blick viele Einzelheiten der Tragödie aufnehmen. Der Mann in Schwarz auf der grünen Böschung war Sir Aaron Armstrongs Kammerdiener Magnus. Der Baronet hatte in seinem Optimismus oft über die schwarzen Handschuhe seines düsteren Dieners gelacht; jetzt aber gab es sicherlich niemanden, den über ihn zu lachen gelüstete.
    Sofort nachdem ein oder zwei Untersuchungsbeamte aus dem Zug und über die verräucherte Hecke gestiegen waren, sahen sie, fast bis an den Grund der Böschung hinabgerollt, den Körper eines alten Mannes in einem gelben Morgenmantel mit grellrotem Futter. Ein Stück Seil schien um sein Bein geschlungen, das sich vermutlich bei einem Kampf herumgewickelt hatte. Da waren einige Blutspuren, aber nur sehr kleine; doch der Körper war in eine jedem lebenden Wesen unmögliche Haltung gebogen oder gebrochen. Es war Sir Aaron Armstrong. Nach einigen weiteren ratlosen Augenblicken kam ein großer blondbärtiger Mann heraus, den einige der Reisenden als den Sekretär des toten Mannes begrüßen konnten, Patrick Royce, der einst in Kreisen der Bohème wohl bekannt und in den Künsten der Bohème sogar berühmt gewesen war. In einer vageren, aber noch überzeugenderen Weise echote er das Grauen des Dieners. Als schließlich noch die dritte Gestalt jenes Haushaltes, Alice Armstrong, die Tochter des Toten, bereits schwankend und zitternd in den Garten gekommen war, gebot der Lokomotivführer seinem Anhalt Einhalt. Die Pfeife blies, und der Zug keuchte von dannen, um von der nächsten Station Hilfe zu schicken.
    Father Brown war auf Wunsch von Patrick Royce, dem großen Ex-Bohèmien-Sekretär, so rasch herbeigerufen worden. Royce war Ire von Geburt und einer jener Gelegenheitskatholiken, die sich ihrer Religion niemals entsinnen, ehe sie nicht wirklich in der Klemme stecken. Doch wäre Roycens Wunsch wohl kaum so prompt erfüllt worden, wenn nicht einer der amtlichen Detektive ein Freund und Bewunderer des nichtamtlichen Flambeau gewesen wäre; und es war unmöglich, ein Freund Flambeaus zu sein, ohne unzählige Geschichten über Father Brown gehört zu haben.

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